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StudienVerlag - Oapen

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An Gerhard Zwerenz<br />

Locarno, 25.8.1966<br />

Ms. o. U., ÖNB<br />

Lieber Gerhard Zwerenz, ich will Ihnen schon seit ein paar Tagen schreiben – nun<br />

kommt Ihre Karte. Haben Sie herzlichsten Dank für Ihre gute Gesinnung und Ihr<br />

Angebot, mir zu helfen; aber es ist für diesen „Waffengang“ tatsächlich zu spät – und<br />

meine Antwort ist in Druck und Sie werden sie in ein paar Tagen sehen. (Übrigens<br />

hat Raddatz zwar Unrecht, aber ich finde seinen Aufsatz ausgezeichnet geschrieben<br />

– ich wußte nicht, daß er das kann.) Nun, es ist nicht aller Tage Abend, diesen<br />

Konflikt betreffend, und vielleicht haben Sie noch später eine Möglichkeit anderswo<br />

einzugreifen. Ich werde Ihnen jedenfalls von Herzen dankbar sein.<br />

Das wichtigste aber: ich wollte Ihnen schreiben, um Sie zu fragen, ob, außer<br />

Ihnen und Ihrer Frau, auch schon andere Leute wissen, daß dieser CASANOVA<br />

ein einfach großartiges Buch ist. Es ist so saftig, so lebendig, so „jung“, daß es eine<br />

ganze Literatur der Berliner Impotenten aufwiegt – und kenne ich Grass auch nicht,<br />

so kenne ich ihn doch hinlänglich „vom Wegschauen“, um zu sagen, daß ich Ihre<br />

Arbeit der seinen unbedingt vorziehe. Ich gratuliere Ihnen von Herzen. […]<br />

Ich selbst gebe ihm zunächst drei Ausrufezeichen in der Konkret-Liste […]<br />

Den regen und zunehmend familiären Briefwechsel mit RN hat Zwerenz 1963, veranlasst<br />

durch dessen DDR-Reiseberichte, eröffnet.<br />

Der „Waffengang“ verweist auf die Kontroverse mit der Gruppe 47, die auch in mehreren<br />

Briefen der folgenden Monate thematisiert wird. In einem Brief vom 13.1.1967<br />

(Privatbesitz Zwerenz) berichtet RN von zwei Treffen mit Höllerer: „Er bringt jetzt<br />

nur noch meine Antwort an Wiegenstein und das beendet die literarische Seite der<br />

Fehde – was jetzt angestrebt werden soll, ist eine gemeinsame Front der Linken,<br />

soweit sie gegen die Große Koalition ist.“ – Siehe dazu in diesem Band: Offener Brief<br />

an Roland H. Wiegenstein (Zum Streit um die Gruppe 47, 1967). – In einem Brief<br />

an Hans Dollinger vom 10.2.1967 (ÖNB) lehnt er dessen Konzept einer Anthologie:<br />

„Außerdem. Deutsche Literatur minus 47 = wieviel?“ (1967) als kontraproduktiv ab,<br />

falls nicht Autoren wie Frisch, Dürrenmatt, Muschg, Nossack, Walser, Zwerenz, Doderer<br />

und Lebert dafür gewonnen werden.<br />

Den Roman von Gerhard Zwerenz: „Casanova oder der Kleine Herr in Krieg und Frieden“<br />

hat RN im Kölner Stadtanzeiger (28.9.1966, „Glanzpunkte der Krise“) besprochen.<br />

RN hat durch mehrere Jahre – als einer von zehn Beiträgern – an der „Anti-Sellerliste“<br />

von „konkret“ mitgearbeitet. „Drei Ausrufezeichen“ standen hier für größtes Lob.<br />

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