09.01.2014 Aufrufe

StudienVerlag - Oapen

StudienVerlag - Oapen

StudienVerlag - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Von Dr. Edwin Rollett<br />

Wien, 10.4.1947<br />

Ms. m. U., ÖNB<br />

Lieber Herr Neumann!<br />

Ihre freundliche Einladung, als einer der österreichischen „Berater“ an dem neunzehnten<br />

internationalen Kongreß des P.E.N. in Zürich teilzunehmen, ist sehr ehrenvoll<br />

für mich. In den letzten Jahren ist ein nicht geringer Teil der Interessenvertretung<br />

der österreichischen Schriftstellerschaft von mir durchgeführt worden. Es mag<br />

also nahe gelegen sein, mich auch für Zürich zu einem solchen Amt auszuwählen.<br />

Mein eigener Standpunkt zu der Frage ist allerdings ein anderer.<br />

Vor fast einem Jahr haben wir in Wien auf Ihre Anregung hin die Vorarbeiten<br />

zur Gründung eines P.E.N. Zentrums in Österreich begonnen und dabei einmütig<br />

die künftigen Funktionäre bestimmt. Ich habe selbst an diesen Beratungen<br />

teilgenommen und während der vorübergehenden Abwesenheit Csokors ihn<br />

sogar teilweise vertreten. Daher kann ich mich wohl nicht einem von London aus<br />

gewünschten Arrangement anpassen, das die Funktionäre desavouiert, die auch<br />

mein Vertrauen haben.<br />

Dazu kommt noch eine weitere Überlegung: Wenn tatsächlich die „Denazifizierung“<br />

Österreichs in ihrem jetzigen Zustand vom internationalen Exekutivkomitee<br />

als unzureichend angesehen wird, so wäre der an dem Züricher Kongreß<br />

teilnehmende „Beobachter“ doch nur eine Figur zweiten Ranges. Dieser Degradierung<br />

aber möchte ich mich umso weniger unterwerfen, als ich sie für durchaus<br />

unbegründet halte. In der gleichen Woche vom 2. bis 9. Juni findet in Prag die<br />

Tagung der Internationalen Journalisten-Organisation statt, an der die Vertreter<br />

der österreichischen Journalistengewerkschaft mit Sitz und Stimmen ebenbürtig<br />

allen anderen teilnehmen, während wir vom Exekutivkomitee des P.E.N. noch als<br />

Angehörige eines Feindstaates betrachtet werden.<br />

Würde ich mich an dem Züricher Kongreß in der vorgeschlagenen Art beteiligen,<br />

so läge darin eine stillschweigende Anerkennung dieser Beurteilung Österreichs.<br />

Sie werden verstehen, daß ich aus diesen Erwägungen heraus Ihre freundliche<br />

Einladung nicht annehmen kann. Ganz rein persönlich von Mensch zu Mensch<br />

möchte ich Ihnen versichern, daß mich Ihr Brief mit einer ganzen Fülle von Reminiscenzen<br />

bestürmt und mancherlei sentimentale Saiten aus der Vergangenheit zum<br />

Klingen gebracht hat.<br />

Mit den herzlichsten und aufrichtigsten Grüßen<br />

Ihr ergebener<br />

Edwin Rollett<br />

Die Wiederrichtung des PEN Centre in Österreich wurde vom Exekutivkomitee des<br />

PEN International mehrmals beraten; in einer Sitzung am 24.1.1947 wurde nach einem<br />

Bericht von RN beschlossen: „as the set-up which had been proposed did not seem to<br />

626

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!