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StudienVerlag - Oapen

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Andere Zeiten – andere Prosa. Lässt man die Deutschtümelei weg, spricht man’s<br />

wendisch-kaschubisch aus, schon hat man den Günter Grass. Der macht dann den<br />

Klosetthumor mit einer Kokosfußmatte, steigt durchs Fenster in einen Vortragssaal,<br />

setzt sich einen Papagei auf die Schulter – ein vorsichtiger wilder Mann, ein toller<br />

Bomberg der SPD (Dabei ist er durchaus so begabt, wie Winckler begabt gewesen<br />

ist. Und in einem glücklichen Augenblick kann Grass auch noch anderes.).<br />

Der andere, Hans Werner Richter, ist ein anderer Fall, bei dem reicht es zu keinem<br />

kraftgenialischen Furz – aber ihn selbst schon als ein Fürzchen zu bezeichnen,<br />

wäre lieblos. Er hat Verdienste, aus der wildromantischen Gründerzeit des Vereins<br />

– da war der noch ein Klüngel von Gleichberechtigten. Für einen, der zugleich<br />

Sekretär war und Konkurrent, hatten sie keine Verwendung – also zwirbelten sie<br />

den bedarften, freundlichen Mann zu einer Vatergestalt empor, natürlich nicht,<br />

ohne ihn zugleich nach guter patagonischer und psychoanalytischer Tradition zu<br />

kastrieren; Consensus des Klüngels: ein Vater, doch schreiben kann er nicht. Kompensatorisch<br />

wird dem derart Emporgezwirbelten eine „Mystique“ verliehen, so ein<br />

Sekretär wie unser Sekretär ist kein anderer Sekretär, er ist ein herzerwärmendes<br />

Original, Harun-al-Richter, im Verborgenen blühende junge Genies vom Wegrand<br />

pflückend, wo er unerkannt geht und steht. Und mag die ursprüngliche Firma in<br />

anderes Management übergegangen sein – wie eine mieselsüchtige südamerikanische<br />

Demokratie von einer Militärjunta, einem Mandrill von Diktator gekapert<br />

wird –, so einen Emporgezwirbelten, einen zu kleinen Mann in zu großen Schuhen,<br />

braucht ein Mandrill erst recht. Also die ihres Inhalts entleerte Gruppe 47 als Grass-<br />

Richtersche Privatliteraturplantage?<br />

Nun, dieses Bild bedarf, in Fairness, gerade an dieser Stelle der Korrektur.<br />

„Mandrill“ – gut. Aber „gekapert“ – das ist eine unstatthafte Vereinfachung. Fiele<br />

die „Plantage“, die „Maschine“, weg – was bliebe von denen übrig? Von dem<br />

bald noch genauer anzuschauenden Höllerer immerhin ein erfreulich aktiver<br />

Deutschprofessor an einem progressiven Gymnasium; von H. W. Richter leider<br />

nicht viel mehr als ein feuchter Fleck; doch für diesen Grass verschwände zwar<br />

eine Stätte, an der ihm Weihrauch gespendet wird, ein Platz der Geselligkeit oder<br />

auch Gaudi, ein bequemer Hintergrund für die rasch publizierte Äußerung – aber<br />

er bliebe der, der er ist, ein Mann der gesicherten literarischen Position, an den<br />

die anderen sich gerade deshalb anschmeißen, weil er sie nicht braucht. So einer<br />

kapert nicht – er wird gekapert, und der Vorwurf gegen ihn schränkt sich darauf<br />

ein, daß er sich gerne kapern lässt. Auch das gehört zum Typus des „tollen Bomberg“:<br />

so einer kann den Saftigen spielen und zugleich tatsächlich saftig sein; der<br />

ist dann tatsächlich generös, aus dem Klimpergeld seiner Hosentasche verteilt er<br />

Largesse an jeden, der ihm bewundernd naht, und neidet er Nicht-Bewunderern<br />

wie Böll oder Peter Weiss und sonst allen, die mehr als 20.000 verkaufen, ihre<br />

Auflagen und ihren Ruhm – den zuverlässig Erfolglosen gegenüber ist er ein<br />

guter Kamerad, ein Spezi unter Spezis, denen er so mit seinem Prestige die Mauer<br />

macht. Sehe ich diesen Grass richtig, so hat er seinen Spaß an der protektorischen<br />

Freud’ – und das verschiebt den Vorwurf in die Sphäre des Allzumenschlichen:<br />

Überragt so ein toller Bomberg seine Entourage um mehr als zwei Haupteslängen,<br />

so macht er sich lächerlich.<br />

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