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StudienVerlag - Oapen

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An Gina Kaus<br />

Locarno, 30.11.1959<br />

Ms. m. U., DNB, Exilarchiv, 96/082<br />

Liebste Gina,<br />

ich danke Ihnen von Herzen für Ihren Brief. Es freut mich, daß Sie mit diesem,<br />

fürchte ich, in einer tieferen Schicht überaus schwer zugänglichen Buch etwas anfangen<br />

konnten – Sie und mehr andere Leute, als ich je erwartet hätte. Je älter man<br />

wird, desto weniger weiß man über sich selbst und über das, was man tut. Das<br />

österreichische Milieu stimmt übrigens ganz sicher nicht. Es war eine Konzession,<br />

daß ich das überhaupt hineinarbeitete; eigentlich steht diese Handlung im luftleeren<br />

Raum – und so sollte es auch sein.<br />

Was für eine Freude, daß ich die Spur Anna Mahlers mit Ihrem Brief wiedergefunden<br />

habe. Ich liebe sie sehr und sie ist (natürlich umgewandelt) die Heldin<br />

eines meiner Romane (The Inquest) und das weiß sie wohl gar nicht. Geben Sie ihr<br />

meine wärmsten Grüße und sagen Sie ihr, daß ich sehr, sehr gern von ihr hörte.<br />

Ja, La Giorgica ist nach wie vor meine Adresse – fürs erste, denn Alter schützt<br />

vor Torheit nicht und so möchte ich hier wieder einmal etwas bauen. Dabei habe<br />

ich das Haus in England behalten und es graut mir ein wenig davor, dem kleinen<br />

Buben eine Häusersammlung zu hinterlassen statt Geldes. Aber meine Lebensumstände<br />

haben sich in diesem schweren Jahr wieder ein wenig konsolidiert und ich<br />

bin guten Mutes. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen eine Frage stellen,<br />

die man nur einer sehr guten und sehr vertrauten Freundin stellen kann; ich habe<br />

in diesen letzten Monaten oft an Sie gedacht und mich gefragt, wie das wohl letzten<br />

Endes bei Ihnen damals ausging, als Sie sich adoptieren ließen. War das eine<br />

wirkliche Überbrückung eines großen Altersunterschiedes – und wie hat es sich in<br />

Ihrem Schicksal ausgewirkt – oder um es anders zu formulieren: soll man derlei tun?<br />

Sie sagen nichts von Ihrem Leben und Ihrer Arbeit – und doch wüßte ich so<br />

gern sehr viel mehr darüber. Kürzlich empfahl ich Bertelsmann, der eine Sammlung<br />

moderner Liebesgeschichten plant, sich an Sie zu wenden, – denn ich wüßte nach<br />

wie vor keine lebende Frau, die dieses Thema mit größerer Kunst und mit größerer<br />

Kompetenz behandelt hätte. Haben die Leute Ihnen geschrieben?<br />

Danke, dem Buben geht es gut, Gott sei Dank, und auch ich darf nicht klagen<br />

und arbeite wieder – an einem humoristischen Roman.<br />

Alles Liebe, wie immer,<br />

Ihr alter<br />

Robert.<br />

Das „schwer zugängliche Buch“ ist „Die dunkle Seite des Mondes“.<br />

Das Thema Adoption hat RN bereits in einem Brief an Charlott Frank (vom 15.11.1959)<br />

weniger verblümt angesprochen: „[…] vor allem habe ich ein mit mir seit langem<br />

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