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StudienVerlag - Oapen

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Von Drei Masken Verlag<br />

Berlin, 30.9.1918<br />

Ms. m. Kopf m. U., ÖNB 21.799<br />

Sehr geehrter Herr!<br />

Ihr Stück „Tyl Ulenspiegel“ wurde mit sehr grossem Interesse gelesen; aber das<br />

Urteil erlaubt uns leider nicht, Ihr Werk in unseren Vertrieb zu nehmen, obwohl<br />

das starke dichterische Talent, das darin zum Ausdruck kommt, ganz unverkennbar<br />

ist. Wir sagen ausdrücklich „das dichterische Talent“; leider nicht das dramatische.<br />

Während Ihr erster Akt durch die glücklichen Striche eine sehr gute Exposition<br />

zeigt und den Leser in Spannung hält, zerfliessen die anderen Akte in epischen und<br />

lyrischen Breiten, sodass eine geschlossene Handlung sich nicht herauskristallisiert.<br />

Wir sehen ganz davon ab, dass der Einfluss Ibsens, (Peer Gynt) Strindberg’s (Folkungersage)<br />

und anderer Dichter ein wenig allzustark verspürbar ist; ein Fehler wäre<br />

dies nicht, wenn nur sonst Ihr Stück ein Drama wäre. Es hat immer seine schweren<br />

Bedenken, wenn der Dichter zwischen den einzelnen Akten, eine Zeitspanne von<br />

10 oder mehreren Jahren annehmen muss; aber in Ihrem „Tyl Ulenspiegel“ ist diese<br />

Art des Aufbaues direkt zum Schaden des Stückes gewählt. Wir gestehen Ihnen<br />

auch, dass wir keine […?] Figuren sehen. Es ist alles von lyrischem Rankenwerk<br />

umsponnen, das Werk ist zwar plastisch, jedoch die Gestalten nicht. Zu Konflikten<br />

kommt es nirgends, ausser im ersten Akt. Der „Tyl Ulenspiegel“ der Mythe wird<br />

nur erzählend einmal gestreift. Kurzum – würden wir dies Werk, wie es vorliegt,<br />

den Bühnen anbieten, so würden wir Ihnen zweifellos mehr schaden als nützen.<br />

Indessen leugnen wir nicht, dass wir von Ihrer dichterischen Qualifikation einen<br />

starken Eindruck bekommen haben und möchten Sie daher bitten, uns Ihre zukünftigen<br />

Arbeiten immer einzureichen. Wenn Sie lernen werden, sich zu conzentrieren<br />

und einen starken Konflikt in dramatisch raschem Tempo zu gestalten, wird Ihnen<br />

zweifellos ein gutes Werk gelingen. Obwohl Sie an Ihrem „Tyl Ulenspiegel“ schon<br />

viel gestrichen haben, verträgt er noch eine grosse Reihe von Strichen so vor allem<br />

das Uebermass der lyrischen Einlagen, die allzugrosse Breite der Flagellantengesänge,<br />

die ungeheure Breitschweifigkeit der Eulenspiegel-Monologe u. s. w., u. s. w. So<br />

schön alles ist, es schadet dem Drama und seiner Bühnenwirkung. Können Sie sich<br />

entschllessen, noch einmal eindrittel des jetzt bestehenden Werkes auszuschalten,<br />

so wollen wir uns gern noch einmal die Mühe machen und das Werk alsdann auf<br />

seine Bühnenfähigkeit hin prüfen. […]<br />

Ein Manuskript des „Tyl Ulenspiegel“, eines „Dramas in zwölftausend Versen“ (VH, 577)<br />

ist nicht erhalten.<br />

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