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StudienVerlag - Oapen

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An Frank Thiess<br />

London, 11.4.1937<br />

Hs., ÖNB<br />

Mein lieber Frank Thiess,<br />

Seit drei Monaten will ich Ihnen über „Tsushima“ schreiben. Als es kam, saß Knopf<br />

bei mir. Ich gab es ihm sofort. Aber er hatte eben jenes russische Buch gebracht.<br />

Dennoch war es gut. mit ihm über Sie zu sprechen und einige mißverständliche<br />

Vermutungen korrigieren zu können […].<br />

Zum Buch also. Es ist neben „Isabelle“ Ihr bestes. Ein großer Vorgang groß<br />

dargestellt – sparsam, spannend, mit allen Qualitäten eines literarischen standard<br />

work. Es läßt sich da garnicht genug Beifälliges sagen – und erst recht nicht, wenn<br />

der Einwand, auf den ich kommen will, an seinem richtigen Platz stehen und sein<br />

richtiges Gewicht haben soll.<br />

Es müßte Sie stutzig machen, wenn Ihr Verleger-Freund Ihnen jene Offiziers-<br />

Lemuren und Gespenster einer schlimmen Zeit schon auf dem Umschlag als Eideshelfer<br />

zitiert. Diesen Menschen hat unser einer nicht ein Applaus-Objekt zu sein<br />

sondern zu mißfallen. Und hier sind wir bei dem entscheidenden Punkt. Ich sehe<br />

Ihren Helden als „Führer“ – aber nicht als Menschen. Nicht seine Kindheit, nicht<br />

seine Frauen – nichts. Dieser Defekt liegt aber nicht an dem Mann, noch an ihnen –<br />

sondern im Unmenschlichen Ihres Themas. Sie haben ein Hoheslied des Führertums<br />

geschrieben, ein Plaidoyer [sic] für Ordnung und Autorität – und Demokratie und<br />

Revolution, wenn sie denn einmal in einem Nebensatze zu Tage tauchen, spielen<br />

bei Ihnen nur deshalb eine andere Rolle als bei gewissen Schriftstellern des dritten<br />

Reichs, weil sie ein sehr viel besserer und weiserer Autor sind. Aber die Blickrichtung<br />

ist dieselbe.<br />

Daß dem so ist, verwirrt mich und stellt mich vor viele Fragen. Habe ich mich<br />

verändert? Oder Sie? Oder hat ein Mißverständnis zwischen uns in der Luft gehangen<br />

in all den Jahren? Schreiben sie mir darüber, lieber Freund – den nicht mehr<br />

im früheren Sinne Freund nennen zu können mir von ganzem Herzen weh täte.<br />

Seien Sie nochmals und in aller guten Gesinnung gegrüßt von Ihrem<br />

Neumann<br />

„Tsushima. Der Roman eines Seekrieges“, ist 1937, der Roman „Der Weg zu Isabelle“<br />

ist 1934 bei Paul Zsolnay erschienen.<br />

Alfred A. Knopf (New York) ist der Verleger der US-Ausgaben von „Zaharoff“(1935)<br />

und „The Queen’s Doctor“(1936).<br />

Die beiden Zsolnay-Autoren, RN und Thiess, waren als Sommerfrische-Nachbarn im<br />

Ausseer Land miteinander vertraut.<br />

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