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StudienVerlag - Oapen

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diskutieren – und ist er kein Narr, so wird er begreifen, wie sehr dieses Verhalten<br />

etwa von dem absticht, das Sie mir zu begreifen gaben, als mich kürzlich in Ihrer<br />

Zeitung jemand angriff. Da druckte die ZEIT diesen Angriff sofort, und dazu einen<br />

Aufsatz, in dem sie sich selbst die Hand schüttelte zu ihrer Position als Fels in der<br />

Brandung: ein Kritiker schreibt etwas gegen einen Ihrer Mitarbeiter – aber so heilig<br />

ist hier zu Lande des Kritikers freies Wort, man bringt es, und wenn die Welt voll<br />

Teufel wär’. (Und sagen Sie nicht, das eine sei eine Attacke auf ein Buch gewesen<br />

und das andere sei eine Attacke auf einen Mann; Sie sagen ja selbst, daß die literaturpäpstliche<br />

Gegenwart dieses Mannes nicht besprochen werden kann, ohne<br />

seine literaturpolitische Vergangenheit zu besprechen – und gerade davon handelt<br />

ja das von mir zu besprechende Schonauersche Buch. Und hätte Sieburg anläßlich<br />

des Gesprächs mit Leonhardt eine einzige meiner Behauptungen konkret widerlegt,<br />

so hätten Sie mir das ja wohl mitgeteilt.)<br />

Unter diesen Umständen – und da ja nun schon eine ganze Anzahl Menschen<br />

von der Sache wissen und nach Ihrer und meiner Erfahrung jede Nichtpublikation<br />

auf längere Sicht mehr Publizität gewinnt als jede Publikation – rate ich Ihnen,<br />

meinen Aufsatz zu bringen, und dazu Ihren Brief an mich (da er handgeschrieben<br />

war, lege ich Ihnen eine Abschrift bei), und dazu diesen meinen Brief an Sie, und<br />

wenn Sie darüber hinaus noch Sieburg eine Möglichkeit geben, sich zu all dem<br />

zu äußern, haben Sie nicht nur Ihrer Freundespflicht Genüge getan sondern auch<br />

unserer besten publizistischen Tradition. […]<br />

„Die Zeit“ hat Neumanns Besprechung von Schonauers Buch wegen der darin enthaltenen<br />

Darstellung von Friedrich Sieburgs Rolle im Dritten Reich abgelehnt. – Siehe<br />

dazu in diesem Band: Wo läuft die Grenze der Perfidie? (1961)<br />

RN sieht sich durch die Haltung der „Zeit“ zu einer dezidierten Klarstellung seiner Position<br />

herausgefordert; in einem Brief an Müller-Marein vom 23.8.1961 (ÖNB) schreibt er:<br />

„Wenn ich mich gegen diese in Adenauers Welt einzementierten Trümmer des Dritten<br />

Reiches wende, so tue ich es nicht als Geschäftsträger des Gottes der Rache, sondern<br />

erstens, weil die aus der Nazizeit in die neue Demokratie Umgefallenen ganz bestimmt<br />

aus der neuen Demokratie in eine noch neuere Diktatur umfallen werden, wenn es<br />

nach Beendigung des Wirtschaftswunders zu einer solchen kommt – und zweitens<br />

und vor allem, weil das Vorhandensein dieser kompromittierten Männer in führenden<br />

Stellungen die Bundesrepublik in den Augen ihrer eigenen Alliierten schwer belastet<br />

und – das wissen Sie ja doch mindestens so gut wie ich selbst – aus der Position<br />

eines voll vertrauenswürdigen Partners in die eines willkommenen Kriegspotentials<br />

hinabdrückt; wozu noch kommt, daß bei den Russen die Abschaffung der Trümmer<br />

des Stalinismus in der DDR nur durchsetzbar ist, wenn wir dafür die Abschaffung der<br />

Trümmer des Dritten Reichs in der Bundesrepublik in Tausch geben. Sie sehen, – so<br />

kurz ist der Weg von der Diskussion des unwichtigen Sünders Sieburg zur Diskussion<br />

des Schicksals Ihrer und meiner Kinder.“<br />

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