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StudienVerlag - Oapen

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hätte. Ich habe gekniffen. Ich sagte feige: „Beckett? leider kenne ich nur den Godot.“<br />

„Ah“, mischte sich da die Frau meines Freundes Andersch ein, eine hochinteressante<br />

Malerin sie kleckst nicht – und, ich sagte es, eine reizende Frau, sie ist<br />

eigentlich viel zu gut für ihn – „also da sollten Sie erst sein herrliches Stück kennen.“<br />

Aber Andersch gönnte ihr es nicht, er fiel ihr ins Wort, er rief: „Das Stück, in<br />

dem die in zwei Mülltonnen sitzen! Nur wenn sie sprechen, heben sie jeweils den<br />

Deckel. Oder gar das allerletzte, da ist überhaupt nur ein Raum, in dem watet er in<br />

seinem eigenen Dreck, und zum Schluß setzt er sich in seinen Sarg und segelt mit<br />

ihm hinaus auf den Ozean. Es ist – ah!“<br />

Er erschauerte. Ich blickte genau hin. Es war tatsächlich nicht der Abendwind<br />

auf der entzückenden Terrasse mit dem Blick auf die entzückende Landschaft, sondern<br />

wie man eben erschauert wenn man angerührt wird vom Hauch des Geistes.<br />

Sie war es, die abschloß: „Kennen Sie wirklich nicht?“ –<br />

Doch, hätte ich sagen sollen, mit auch nur einem Zehntel der von mir bei anderen<br />

verlangten Zivilcourage; doch, kenne ich, ich habe einmal Psychologie studiert.<br />

Statt dessen sagte ich feige: „Und verzeihen Sie die törichte Frage: Wovon handelt<br />

das alles eigentlich?*<br />

„Danach fragt ihr immer“, sagte Andersch. „Ganz so wie ihr bei Bildern fragt,<br />

was sie darstellen.“<br />

„Ihr“, sagte er – diesmal meinte er mich, Haller und Hagedorn.<br />

„Aber was da dargestellt wird, ist doch klar“, fiel da die Entzückende ein und<br />

reichte mir ein viertes Stück des herrlichen Kuchens, den sie gebacken hatte.<br />

Und Andersch verriet es mir: „Dargestellt wird die Situation nach der Atombombe!“<br />

Jetzt wußte ich es. Jetzt war es natürlich klar. Wenn mir eine Atombombe auf<br />

den Kopf fiele, würde ich auch so dichten. Bestenfalls. Sehr viel schlechter natürlich,<br />

aber in diesem Sinne.<br />

Das war ja dann wohl das Ende der Diskussion. Wir sprachen danach ein wenig<br />

abrupt von der Sorte Erdbeeren, die man dort oben ziehen kann. Und von den<br />

Radieschen.<br />

In einem Offenen Brief machte Andersch RN die „parodistische Verdrehung unseres<br />

Gesprächs“ und die Darstellung der „Person meiner Frau“ zum Vorwurf.<br />

RN replizierte: „Und was ist das über eine Vereinbarung zwischen uns, Ihre Gattin aus<br />

dem Text zu eliminieren? Ich spielte Ihnen den ersten Text vor, Sie hatten Bedenken<br />

gegen ein paar Dialogstellen, die ich Ihrer Gattin in den Mund legte, ich erbot mich<br />

darauf zu einer Umredigierung unter völliger Elimination der Interventionen Ihrer<br />

Gattin, das wieder wollten Sie nicht – so sagten Sie wenigstens – und ich schickte<br />

Ihnen einen abgeänderten Text, den Sie billigten […]<br />

Im ganzen habe ich mir allerdings eines vorzuwerfen: dass ich einem schwerblütigen<br />

Mann wie Ihnen, einem Mann, der mit grossem Ernst mit dem Engel ringt und aus<br />

dem sicher etwas ausgezeichnetes werden wird, diese leichtherzig öffentliche Diskussion<br />

überhaupt zumutete. Einer Ihrer Mängel – auch ihn werden Sie später einmal<br />

verlieren, wenn Sie Ihrer selbst nichtnur äusserlich sondern auch innerlich ein wenig<br />

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