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StudienVerlag - Oapen

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Das historische Vorbild, dem er hier beinahe imitierend nacheifert, wird vom Autor<br />

offen einbekannt. „Die Hundertunderste Geschichte aus dem Dekameron“ lautet<br />

ein programmatischer Zwischentitel. Der Novellenkranz – oder jedenfalls das in<br />

der Folge immer raffiniertere Spiel mit der vordergründig losen Verknüpfung von<br />

Geschichten und Episoden mit eingeschobenen „Zwischenspielen“ – wird zum Signum<br />

des Erzählers Robert Neumann.<br />

Auch wenn einige Kritiker dem altertümlichen Stoff der „Pest“ zum Trotz für<br />

die Boccaccio-Stilisierung anerkennende Worte finden – als freier und beachteter<br />

Schriftsteller etablieren kann sich RN erst im Herbst 1927 – mit dem Erfolg seiner<br />

Parodiensammlung: „Mit fremden Federn“, die – nicht zuletzt vom „Opfer“<br />

Thomas Mann – öffentlich als eines der besten Bücher des Jahres gerühmt wird.<br />

1932 folgt „Unter falscher Flagge. Ein Lesebuch der deutschen Sprache für Fortgeschrittene“.<br />

Die aktualisierte und um ein „Theatralisches Panoptikum“ erweiterte<br />

Gesamtausgabe der Parodien (1962) wird wiederholt von Taschenbuchverlagen und<br />

Buchgemeinschaften in Lizenzausgaben neu aufgelegt. (Zum breiten Spektrum der<br />

Parodierten siehe das Register dieses Bandes.)<br />

Trefflicherweise sieht der Kritiker H. D. Kenter den Parodisten RN „Arm in Arm<br />

mit George Grosz“. Bei – gelegentlich durch Nazis gestörten – Lesungsabenden (quer<br />

durch Deutschland) legt Neumann auch seine Reflexionen „zur Ästhetik der Parodie“<br />

dar. Es ist ihm wichtig, „diese besondere Art einer mittelbaren Literaturkritik“<br />

gegen Ulk, Travestie und auch Pasquill abzugrenzen.<br />

„Parodie ist Nachahmung mit Polemik gegen den Nachgeahmten“, doch<br />

„Polemik genügt nicht. Mit Mauthner zu sprechen: sie trifft nicht ins Herz.“<br />

„Meine Technik der Parodie [benützt] die Nachahmung als Mittel zu einem<br />

Zweck. Sie schleicht sich dann mit Hilfe der Mimikry in die Welt des literarischen<br />

Opfers ein, sie schreibt zunächst einen Absatz ‚mit fremden Federn‘,<br />

sie segelt ein Stück ‚unter falscher Flagge‘ – aber erst wenn in weiterer Folge<br />

das gestohlene Idiom dazu verwendet wird, das Opfer zu attackieren, zu entlarven,<br />

in die Luft zu sprengen: erst durch diese un-gutmütige, un-humorige<br />

Aggression wird, was als Nachahmung begann, zur Parodie.“ Kurz: „Parodie<br />

schießt auf einen Mann mit der Waffe seiner eigenen Form. Das ist ihr<br />

besonderes Mittel der Aggression.“<br />

Über seine Anfänge als Parodist räsoniert RN 1962 betont selbstkritisch:<br />

„Das war damals die Zeit des Expressionismus. Ich selbst aber und noch<br />

ein paar Anfänger in der Stadt Wien – wir betrachteten uns als die Bewahrer<br />

der Flamme der Tradition, im Zeichen der Nachfolge Thomas Manns.“<br />

„Hohepriestertum mit Ressentiment durchtränkt“ war „also der Treibstoff<br />

der Parodien, die ich damals zu schreiben begann. Es fiel mir leicht. Ich<br />

hatte immer schon die Gabe gehabt, andere Personen zu ‚impersonieren‘,<br />

eine schauspielerische oder hochstaplerische Begabung im Grunde. Und<br />

auch die Steigerung des Charakteristischen ins Absurde, die Zerstörung von<br />

innen her, die Fünfte Kolonne der Aggression, hatte nie gefehlt.“<br />

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