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StudienVerlag - Oapen

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An Elsa Ransleben<br />

Locarno, 21.12.1964<br />

Ms. o. U., ÖNB<br />

Sehr verehrte gnädige Frau,<br />

haben Sie besten Dank für Ihren Brief. Es ist lange her, daß ich jenes Buch schrieb –<br />

das Material las ich in Britischen Museum in London und aus welchem Buch ich die<br />

Information hatte, Schimmelmann sei ein Jude gewesen, das weiß ich nicht mehr. Es<br />

kann sehr wohl sein, daß ich da etwas mißverstand – möglicherweise habe ich das<br />

auch frei erfunden, weil es sich so am besten in die Struktur des Buches schickte.<br />

Ich weiß es wirklich nicht.<br />

Wohl aber weiß ich, daß ich vor etwa sieben Jahren von einen Hamburger<br />

Anwalt angeschrieben wurde, im Auftrag der, glaube ich, in Schleswig-Holstein<br />

lebenden Familie SchimmeImann, mit der Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage,<br />

weil ich jenen längst Verstorbenen in ehrenrühriger Weise als einen Juden<br />

dargestellt hätte – wo er doch nachweislich aus einer alten Arier-Familie aus Lübeck<br />

gestammt habe.<br />

Dem wird ja wohl tatsächlich so sein. Ihre charmante Vermutung, gnädige Frau,<br />

ein Mann dieses Hintergrundes könnte im 18. Jahrhundert (oder sonst irgendwann)<br />

zum Judentum übergetreten sein, ist leider ganz bestimmt irrig. Aber ich bin ein<br />

Jude – und ich danke Ihnen herzlich für Ihre gute Gesinnung. […]<br />

Frau Ransleben (Gräfelfing) hatte in einem Brief vom 23.11.1964 (ÖNB) RN um eine<br />

Auskunft zur Figur des Grafen Schimmelmann im „Struensee“-Roman gebeten: „Haben<br />

Sie positive Unterlagen, nach denen er Jude gewesen ist? Sie werden sich über diese<br />

Frage wundern, aber ‚durch einen Sack Erbsen‘, wie man bei uns in Pommern sagte,<br />

ist meine Familie mit ihm verwandt, seine Nichte war eine Ur- Ur- usw. Grossmutter<br />

mütterlicherseits von mir. Nach den Unterlagen, die ich vor langer Zeit vom evgl. Pfarramt<br />

in Demmin bekam, ist Heinrich Karl Sch., als Sohn des Mercators Jakob Dietrich<br />

Sch. 1724 in der evgl. Kirche getauft. Seine Mutter war eine geborene Ludendorff, als<br />

Pate ist ein Praepositus, also Superintendent, angegeben. Nach alldem ist doch wohl<br />

anzunehmen, dass er Protestant war. Er könnte ja später übergetreten sein, aber dazu<br />

lag doch eigentlich kein Anlass vor. […] Es würde mich also wirklich sehr interessieren,<br />

ob Sch. später Jude geworden ist, oder ob es von Ihnen nur dichterische Freiheit war,<br />

die ihn dazu machte. Sie müssen nun aber nicht glauben, dass ich Ihnen das etwa<br />

übelnehmen würde! Bei uns gab es in der Beziehung keine Unterschiede, und viele<br />

meiner Freunde in Berlin, wo wir 10 Jahre lebten, waren Juden.“<br />

Im April 1957 hatte der Hamburger Anwalt Dr. Alfred Rücker v. Klitzing im Namen „der<br />

Familie des Lehnsgrafen Heinrich von Schimmelmann“ die Verunglimpfung seines<br />

„direkten Vorfahren“ beklagt und gefordert, in „etwa beabsichtigten Neuauflagen“<br />

die „verleumderische Darstellung seines Ahnherrn“ als Jude zu unterlassen. In seiner<br />

Antwort (an Kurt Desch, 13.4.1957, ÖNB) erklärte RN: „Woher ich die Information<br />

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