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StudienVerlag - Oapen

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Nun denke man scharf nach. Jede Diktatur droht ihren Gegnern womöglich<br />

nicht politische, sondern kriminelle Delikte an – also könnte das immer noch den<br />

dokumentarischen Niederschlag „politischen Verfolgtseins“ bedeuten. Aber wenn<br />

das bloß die Tarnung einer politischen Verfolgung war – warum schlug man das<br />

Verfahren dann nieder? Wobei man dieses Niederschlagen wieder qualifiziert mit<br />

dem Satz, das Verfahren habe weder Lübkes Unschuld ergeben „noch dargetan, daß<br />

ein begründeter Verdacht nicht vorliegt“. Ist das, was das Verfahren dargetan hat,<br />

vielleicht die Erkenntnis der politischen Harmlosigkeit des Verdächtigen, seiner<br />

„Gewinnbarkeit“ für das neue System? Wobei das Damoklesschwert des „daß kein<br />

begründeter Verdacht gegen dich vorliegt, wirst du erst zu beweisen haben“ seine<br />

weitere Bewährung verbürgen soll (immer voraussetzend, daß es, wie Lübke ja zu<br />

behaupten scheint, ein getarntes politisches Verfahren gewesen ist)? Das würde dann<br />

nämlich ein interessantes Licht werfen auf ein weiteres Dokument, das im BRAUN-<br />

BUCH noch vorhanden ist und das aus unbekannten Gründen bei Norden fehlt.<br />

Das heißt: zwischen 1934 und 1940 hat Lübke „sich als vertrauenswürdig<br />

erwiesen“. Für die „Bearbeitung und Überwachung des Arbeitseinsatzes“! Dem,<br />

der 1944/45 mit dem „Arbeitseinsatz“ laut seiner Erklärung im SPIEGEL so gar<br />

nichts zu tun hatte, kann dieses lobende Attest nicht willkommen sein. So scharf ich<br />

nachdenke – mir fällt zu seinen Gunsten keine Erklärung ein. Es sei denn jemand in<br />

Lübkes Entourage hat sich geirrt und bezog „politisch Verfolgter“ gar nicht auf den<br />

Vorgang von 1934, sondern auf jenen andern von 1945, mit dem falsch-verhafteten<br />

Lübke, als der Amerikaner ihn suchte?<br />

Mir fällt aber auch keine Erklärung ein für die ein wenig atemraubende<br />

Ahnungslosigkeit der östlichen Seite, die das von ihnen zu Lübkes Tätigkeit kurz<br />

vor Kriegsende Vorgebrachte in westdeutscher Sicht durch „Zu-Ende-Denkungen“<br />

zum Teil um seine Wirkung bringen – während bei ihnen der Komplex „Lübke der<br />

politisch Verfolgte“ unter den Tisch fällt. Nur ein Beispiel für seine Brisanz: Als<br />

Lübkes Wiederwahl zur Diskussion stand und Bucher (der offen zugab, als junger<br />

Mensch ein Nazi gewesen zu sein, sich als Gegenkandidat meldete, entschied sich<br />

die SPD, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen und für Lübke zu stimmen „weil<br />

es ihren Grundsätzen entspreche nur für einen Mann zu votieren, der mit den Nazis<br />

nichts zu tun hatte“. Nichts! Was nun?<br />

Und was hat sich Lübke bei all dem gedacht? Hat er etwas verdrängt? Oder hat<br />

Lübke sich doch getarnt? Hier ist ein Bild: […]<br />

Das Bild eines Getarnten? Vielleicht fällt einem die Meinungsbildung leichter,<br />

wenn ich hinzufüge, daß es in der „Nationalzeitung und Soldatenzeitung“ zu finden<br />

ist, die eben, da ich dies schreibe auf meinen Tisch kommt. Sie straft auch gleich<br />

meine Behauptung Lügen, daß keine westdeutsche Zeitung sich (bis auf kleine Speichelleckereien,<br />

die jeder Information aus dem Wege gehen) mit dem Ostmaterial<br />

auseinandergesetzt habe. Die Soldatenzeitung steigt groß ein.<br />

Hat es Lübke verdient, daß er so auf die Soldatenzeitung gekommen ist? Und<br />

heißt das, nebenbei, daß dieser nicht-nazistische „Patriot in Deutschlands schwerster<br />

Stunde“ für etwaige neue Machtergreifer ebenso akzeptabel wäre, wie für gewisse<br />

frühere Machtergreifer der nicht nazistische „Patriot in Deutschlands schwerster<br />

Stunde“ Hindenburg es gewesen ist? Der wie jener ein brauchbarer Repräsentant der

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