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StudienVerlag - Oapen

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würde – und ich habe diese Ihre Erwartung in meinen Gesprächen mit westlichen<br />

Partnern zu einer Wette aufgewertet, um ihnen vor der Nicht-Sendung ein wenig<br />

Angst zu machen. Um es genau zu sagen: die Angst vor Verantwortung drückt sich<br />

ja ganz allgemein bei Menschen gleicherweise aus in einer Angst etwas zu tun, wie<br />

in einer Angst davor, einen Gesichtsverlust zu erleiden dadurch, daß man etwas<br />

nicht tut. Nun – es ist gelungen – freuen wir uns dessen. Die Reaktionen sind breit<br />

und günstig – so günstig, daß die Stellen, die ursprünglich gekniffen haben, sich<br />

jetzt mit dem fait accompli identifizieren und die Sendung übernehmen.<br />

Wenn Sie diese Nicht-Wette als eine Wette akzeptieren und Sie dazu noch als<br />

von Ihrer Seite verloren ansehen wollen, so ist das natürlich sehr generös von Ihnen.<br />

Was Sie als Preis dieser Wette ansehen wollen, überlasse ich gern Ihnen – ich weiß<br />

von mir aus keinen Vorschlag außer der Hoffnung, daß wir miteinander eine Flasche<br />

Wein trinken wollen, wenn ich nächstens in Ihrem Berlin bin.<br />

Das carpe diem, das Sie mir zugerufen haben, steht sehr im Vordergrund meines<br />

Bewußtseins. Ich schreibe einen politischen Roman über Deutschland. […]<br />

In einem Brief vom 1.6.1964 (ÖNB) hatte Dieckmann seine Lektüre-Eindrücke von<br />

„Ein leichtes Leben“ dargelegt:<br />

„[…] ich war von dem Ideen-, Erleben- und Gedankenreichtum Ihres Buches tief ergriffen<br />

und bin es immer noch. Unter dem Eindruck dieser Lektüre hatte ich einen Brief an Sie<br />

begonnen. Er wurde nicht zu Ende geschrieben, weil ich erst dann zu den Abschnitten<br />

Ihres Buches kam, die Ihre Begegnungen mit unserem Teil Deutschlands behandeln.<br />

Hatte ich bis dahin die Absicht, Ihr Buch zur Lektüre für unsere älteren Oberschüler zu<br />

empfehlen, so schlug nun diese meine Absicht um in das Empfinden ernster Trauer,<br />

denn mit diesen Kapiteln haben Sie das wieder eingerissen, was Sie vorher so klug,<br />

so menschlich groß aufgebaut hatten.<br />

Sie müssen das selbst insgeheim empfunden haben, denn in diesen Kapiteln verlassen<br />

Sie das feste Urteil aller früheren Kapitel Ihres Buches durch reservationes<br />

mentales wie: ‚Es scheint mir‘, ‚wenn ich richtig gesehen habe‘, ‚soweit ich das sehen<br />

konnte‘, ‚so wird mir versichert‘ and so on. (Überdies haben Sie auf Seite 553 von<br />

‚Deutschland‘ gesprochen, obgleich es sich da nur um das westliche Teildeutschland<br />

handeln konnte).<br />

Offensichtlich ist Ihnen also bei diesen Niederschriften selbst nicht ganz wohl gewesen,<br />

denn diese reservationes finden sich in keinem der vielen anderen Kapitel Ihres<br />

Buches. […]“<br />

Dieckmann schließt „mit der Kästner’schen Gewißheit: ‚Die Vernünftigen werden nicht<br />

alle!‘ und fügt eine „Nachschrift“ hinzu: „Es wird die Zeit kommen, da Sie es nicht mehr<br />

nötig haben, Vergangenheit und Gegenwart mit Ironie und Sarkasmus zu ‚bewältigen‘.<br />

Aus dieser Ihrer künftigen Schaffensperiode möchte ich noch Ihren größten ‚Wurf‘<br />

erleben. Sie würden damit der Lessing unserer Zeit werden. Carpe diem!“<br />

Dieckmann hat übrigens einer seiner kleinen literarischen Arbeiten („Kein Wintermärchen“)<br />

einen Satz aus ELL als Motto vorangestellt: „Die Zeit bleibt weg, als gäbe<br />

es sie gar nicht – und dann ist sie wieder da.“ (Vgl. Deutsches Bundesarchiv Berlin<br />

Volkskammer-Archiv DA 1/4628)<br />

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