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StudienVerlag - Oapen

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Bleibt als abschließende Erwägung: Wie weit ist das Pornographie – indizierbar<br />

als jugendgefährdend, etwa gar ein neues Geschäft für Herrn Schusteks alten<br />

Freund, den Kemptener Staatsanwalt? „Warum nicht Pornographie?“ sagt Schustek.<br />

„Warum soll ein Erwachsener nicht seine Pornographie bekommen, wenn ihm das<br />

Spaß macht? Und jugendgefährdend? Kennen Sie einen Jungen, dessen Taschengeld<br />

ausreicht für ein Buch aus meinem Verlag?“<br />

Ich bin, privat, durchaus seiner Meinung. Aber ob das juristisch genügend ist?<br />

Die ganze juristische Diskussion geht um den ungemein dilettantischen „Kunst-<br />

Vorbehalt“ im Grundgesetz. Was „Kunst“ sei, sei nicht Pornographie und daher<br />

erlaubt. Das zwingt selbst ernste Juristen, „künstlerische Werte“ nachzuweisen – ob<br />

es die nun gibt oder nicht. Und dabei könnte man sich doch mit der Unterscheidung<br />

zwischen Kunst und Pornographie begnügen, die ich anderswo diskutiert und in<br />

Gutachten sehr brauchbar gefunden habe: pornographisch – „jugendgefährdend“<br />

kann nur sein, was den Leser zur tagtraumhaften Identifikation mit dem Helden<br />

und zum Nachvollzug seiner Aktion verlockt. Ohne diese „Einladung zum Nachvollzug“<br />

keine Pornographie.<br />

Wer fühlt sich von Miller, von Genet zum Nachvollzug eingeladen? Wer von<br />

der Demaskierung trostloser Teenager-Sexualsitten in „konkret“? All diese Publikationen<br />

locken nicht sondern schrecken ab – ihr Effekt ist kein pornographischer<br />

sondern ein moralischer. Sie gehören gefördert. Vom Volkswartbund und dem<br />

Kölner Erzbischof.<br />

Und die „Wirtin“? Haben die hier zitierten Strophen einen einzigen Leser zum<br />

Nachvollzug verlockt? Zum Nachvollzug wessen? Das ganze ist nicht Pornographie,<br />

nicht Lockung zur Sünde, sondern eine herzhafte, folkloristisch gezielte Schweinerei.<br />

Eine Verfolgung brächte dem Staatsanwalt den Erfolg lauten Gelächters. Und seinem<br />

Feind dem Verleger eine Verdoppelung des Geschäfts.<br />

Im Interesse der Lesbarkeit wird hier auf die Aussparungen der Illustrationsvorschläge<br />

im Manuskript nicht weiter hingewiesen.<br />

RN hat – oft im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – in den 1960er<br />

Jahren Dutzende Gutachten im Zusammenhang mit Indizierungs-Verfahren der Bundesprüfstelle<br />

für jugendgefährdende Schriften abgefasst; dabei hat er stets die hier<br />

in nuce dargelegte Argumentation (der Abschreckung vom Nachvollzug) variiert.<br />

Der Bitte des in Lindau ansässigen Verlegers Karl Schustek, eines gebürtigen Wieners,<br />

für die Bundesprüfstelle ein positives Gutachten der „Wirtin“-Ausgabe zu schreiben,<br />

hat sich RN allerdings entzogen; er hat auch Kasimir Edschmid davon abgeraten, das<br />

Buch sei „zu schweinisch“. (Das Buch wurde prompt verboten.)<br />

1968 hat Schustek eine „Sittengeschichte des Zweiten Weltkrieges“ herausgegeben,<br />

die er als „Band 3“ von Magnus Hirschfelds „Sittengeschichte des 20. Jahrhunderts“<br />

deklariert hat. Das (mit „Karl Schustek“ unterzeichnete) Vorwort hat RN geschrieben<br />

(ÖNB 21.857), der sich aber die Nennung seines Namens in dem ihm zu wenig seriös<br />

erscheinenden Werk verbeten hat.<br />

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