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StudienVerlag - Oapen

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Aber was will es besagen? Englisch sprechen nicht nur die Engländer, sondern<br />

auch die Amerikaner, und nicht nur die Engländer und Amerikaner sondern Hunderttausende<br />

und Millionen Neger, Inder, Chinesen, das smart set der Papuas, die<br />

besseren Kreise in Polynesien. Will jemand behaupten, dass deshalb die Engländer<br />

für den polynesischen Kannibalismus verantwortlich sind? Auch wir haben<br />

uns bemüht, die tristen Vettern zu kultivieren. Jahrhundertelang. Es ist uns nur<br />

nie ganz gelungen. Anschluss, haben manche Oesterreicher in einer Zeit politischer<br />

und wirtschaftlicher Verzweiflung gesagt – einer Verzweiflung, für die wir<br />

nicht verantwortlich waren, nicht wir. Aber nur ein Ausländer kann glauben, dass<br />

selbst jene Anschluss-Enthusiasten selbst in jener Verzweiflungszeit im Geistigen,<br />

Weltanschaulichen, Kulturellen je etwas anderes gemeint haben können als einen<br />

Anschluss Deutschlands an Oesterreich. – Ich hoffe, so werden Sie es wenigstens<br />

Ihrem Enkelkind erklären.<br />

Für uns aber, heute, hier, gilt es, die Frage der Fragen zu entscheiden. Nicht eine<br />

politische Frage, sondern eine Frage des Lebens: Hat es dafürgestanden; steht es<br />

dafür. Da ist dieses kleine Land. Ein armes Land und nicht sehr fruchtbar. Aber es<br />

will mir scheinen, es ist gut genug, dass einer in diesen Tälern sein Haus baut, sein<br />

Holz schlägt, sein Vieh zieht, sein Feld bestellt. Da ist diese Stadt – nicht die grösste<br />

Stadt, vielleicht nicht die schönste Stadt. Aber gross genug, schön genug. Fabriken<br />

sind dort – nicht die grössten Fabriken. Fortschritt der Technik – aber nicht zu<br />

schnelle Automobile – aber nicht zu viele Automobile, Da ist dieses kleine Volk,<br />

ein paar Millionen, nicht mehr. Aber wie gross ist das Kopfzerbrechen, das es dieser<br />

Welt schon bereitet hat! Schauen Sie scharf hin, so ist es keine feine Rasse. Der grosse<br />

Schickelgruber hat uns da mit seinem Adlerblick schon ganz richtig durchschaut.<br />

Deutsche, Tschechen, Slovaken, Slovenen, Juden, Italiener und Ungarn: – ah, was<br />

für eine rassische Schlamperei! Aber es will mir scheinen, dass es ein grosses Volk<br />

ist. Vor Rassenstolz blieb es bewahrt – denn auf welche Rasse sollte es stolz sein?<br />

Es blieb bewahrt von jenem Quantitäts-Fimmel, der glaubt, nur recht viele Harzer<br />

Käse aufeinanderschichten zu müssen – dann wird vielleicht doch zum Schluss<br />

ein gotischer Dom daraus. Und der ums Verrecken ein Uebermensch sein muss,<br />

und krepieren in einer Ueberschlacht. Uns Oesterreichern genügt eine Schlacht.<br />

Uns genügt sogar keine Schlacht. Gewiss, wir haben alle möglichen schlechten<br />

Eigenschaften. Wir sind schwer zu führen, aber leicht zu verführen. Wir sind keine<br />

Tuer, aber da wir gesellige Menschen sind, tun wir mit. Keine Täter sind wir, aber zu<br />

Mittätern sind wir schon mehr als einmal geworden im Lauf der Geschichte. Dafür<br />

müssen wir zahlen. Aber wer da kein Mittäter ist, werfe den ersten Stein auf uns.<br />

Uneinig sind wir. Aber blicken Sie um sich, wer ist denn einig, im Nahebeieinanderwohnen<br />

einer demokratischen Emigration. Bei uns Oesterreichern hat immer<br />

der Eintaxi-Spaltpilz grassiert, eine Tendenz, eine politische Partei abzuspalten,<br />

wenn sie gerade so gross ist, dass man sie in einem Taxi transportieren kann. Aber<br />

glauben Sie mir, es kommt nicht an auf unsere Eintaxi-Probleme. Das Volk fährt<br />

nicht in den Taxis. Es kümmert sich nicht um die Taxis. Reizt man es, so haut es<br />

die Taxis in Scherben. In einer unüberbietbaren Einigkeit.<br />

Ja, diese besondere Art der oesterreichischen Einigkeit möchte ich Sie verstehen<br />

lehren. Wir marschieren nicht im Stechschritt – aber wir marschieren. Und auch

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