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StudienVerlag - Oapen

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Das politische Denken und der intellektuelle Habitus von RN wurzeln im „Roten<br />

Wien“ der 1920er Jahre, gebrochen durch die Erfahrungen von und nach 1933/34.<br />

So scheint auch sein poetologischer Topos von den „blinden Passagieren“ nicht<br />

uninspiriert vom austromarxistischen Neukantianismus eines Max Adler. Zum<br />

Geist jener „neuen Zeit“ gehört auch die Psychoanalyse: „Es war die Zeit, da die<br />

Erkenntnisse und Entdeckungen Sigmund Freuds in Wien sichtbar auf der Straße<br />

lagen wie die Nuggets auf gewissen Feldern Kaliforniens in Gold-Digger-Tagen;<br />

man mußte sich nur nach ihnen bücken.“ (ELL, 116). Der Nuggets-Aufklauber<br />

RN war weder politischer noch psychologischer Purist: Seine Figuren suchen ihren<br />

Lustgewinn gleichermaßen aus freudianischer Sexualität und aus Geltungstrieb, wie<br />

ihn der Freud-Dissident Alfred Adler proklamiert hat. Ein stringenter Parteigänger<br />

ist der Eklektizist RN hier wie dort nicht.<br />

„Neumanns Sozialismus schließlich war von sehr individueller und eigener<br />

Art. Der Kampf gegen Herrschaft und Unterdrückung gab seinem polemischen<br />

Temperament eine Richtung“, schreibt R. W. Leonhardt in einer Würdigung (in:<br />

Typisch RN 1975, 8), in der er RN – politisch und literarisch – mit Heine vergleicht.<br />

In Geburtstagsartikeln wurde RN gelegentlich auch als „Linksliberaler“ taxiert.<br />

„Neumann, der Liberale, bei dem ich zögere, ihn Sozialist zu nennen, obgleich er<br />

gewiß so etwas wie ein humanistischer, streitbarer Sozialist ist […]“ – formuliert der<br />

mit RN freundschaftlich verbundene junge Schriftstellerkollege Gerhard Zwerenz<br />

(in konkret 18/1970, 52).<br />

Zu den Würdigungen des „politischen“ RN gehört auch ein Kondolenztelegramm<br />

des SPD-Vorsitzenden Willy Brandt an Helga Neumann (vom 7.1.1975,<br />

ÖNB 21.663):<br />

„[…] Wir schulden ihm nicht nur Dank für einige der bemerkenswertesten<br />

Werke der deutschsprachigen zeit- und gesellschaftskritischen Literatur, sondern<br />

auch dafür, dass er sich auf seine Weise – auch um den Preis der Vertreibung<br />

ins Exil – für die Ziele des freiheitlichen Sozialismus eingesetzt hat.“<br />

Es ist noch einiges über das literarische „Spätwerk“ von RN nachzutragen: „Wenn<br />

ich noch einmal etwas schreibe, so wird es fröhlich sein. Ich habe zu wenig Fröhliches<br />

geschrieben in meinem Leben“: Der Schlusssatz aus „Vielleicht das Heitere“<br />

könnte als Motto vor jedem der (neuen) Bücher der Folgejahre stehen.<br />

Für den Zeichner Oswin (Oswald Meichsner) liefert RN die „Geschichte“ zum<br />

Cartoon-Band: „Die Staatsaffäre“ (1964); für Albert Lindi textet er die Cartoons:<br />

„Hotel Sexos: Eine erotische Revolte“ (1968), „Palace Hotel de la Plage und der finstere<br />

Hintergrund: Eine politische Entlarvung“ (1968) und „Komma Sutram oder Die<br />

hochvollkommene Ehe“ (1969). 1970 erscheint: „Deutschland deine Österreicher.<br />

Österreich deine Deutschen“, eine Auftragsarbeit in feuilletonistischer Manier (mit<br />

etlichen historischen Schludrigkeiten).<br />

Es folgen zwei autobiographisch inspirierte (und kommerziell erfolgreiche)<br />

Romane: „Oktoberreise mit einer Geliebten. Ein altmodischer Roman“ (1970) und<br />

„Ein unmöglicher Sohn“ (1972). Diese werden von der Kritik als „charmante“ Alterswerke<br />

gelobt; Verlegerfreund Ernst Klett, sozusagen ein enttäuschter Stammleser,<br />

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