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StudienVerlag - Oapen

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Macht“ nicht. „Gelegentlich einer Ausgabe letzter Hand“ (unter dem Titel „Macht“,<br />

1964) schreibt RN<br />

„ein Wort zur literarhistorischen Topographie. Das Buch hatte in Deutschland<br />

ein kurzes Leben. Es erschien 1932 – ein paar Monate später war es<br />

verbrannt und verboten. Es wird in deutscher Sprache erst jetzt wieder aufgelegt;<br />

bis auf eine Handvoll lebenszäher Relikte gleich dem Autor selbst ist<br />

es für heutige Leser ein neues Buch. Es gehört zu den literarischen Produkten<br />

der ‚Neuen Sachlichkeit‘, mit der ein paar von uns auf die expressionistische<br />

Allerwelts- und Oh-Mensch-Duselei reagierten – sachlich also, und lieblos,<br />

und ironisch-polemisch-ernüchternd; und so entsprach das ja wohl auch<br />

meinen damals geschriebenen Parodien.“<br />

Erzählt wird aus wechselnden („impersonierenden“) Figuren-Perspektiven mit filmischen<br />

Schnitten. Ein „Akademisches Zwischenspiel“ und ein „Priapisches Zwischenspiel“<br />

werden eingeblendet; (gelegentlich reale, meist fiktionale) Zeitungsausschnitte,<br />

Börsennotizen, Briefe, Telegramme evozieren die Beglaubigung der Fiktion<br />

durch die Autorität des Wirklichen, die freilich ironisch relativierbar ist – etwa durch<br />

einen „Bericht an jenen obersten Zuschauer, Schicksalslenker, den wir für diese<br />

Zwecke hier einmal als existent unterstellen wollen; gegeben vom Autor, seinem<br />

Statthalter auf Erden“. (Die Macht 1932, 339)<br />

Der Roman spielt in der Zeit vom 9.1.1929 bis zum 9.1.1930. Die Rahmenerzählung<br />

fußt auf einem (historisch realen) politischen Kriminalfall, der Fälschung<br />

sowjetrussischer Tscherwonzen in großem Maßstab durch deutsche Nazis im<br />

Zusammenspiel mit weißgardistischen Georgiern und interessierten Kapitalgruppen.<br />

RN „verlegt“ den Knotenpunkt dieser Affäre nach Wien, die herrschenden<br />

Kreise der Wiener Gesellschaft am erahnbaren Vorabend des Faschismus stehen<br />

im Fokus des Romans.<br />

Der (jüdische) Anwalt Benedikt Rosen arbeitet businesslike für aus München<br />

gesteuerte völkische Gruppen, die vor Fememorden nicht zurückschrecken. Der<br />

Bankdirektor Lassalle – mit porträthafter Ähnlichkeit zu Gottfried Kunwald,<br />

Finanzberater und „graue Eminenz“ von Kanzler Seipel, gezeichnet – besorgt die<br />

Geschäfte eines internationalen Ölkonzerns (mit „Baku-interests“). Akademischer<br />

Antisemitismus einerseits, Frauenelend in Abtreibungsprozessen anderseits, werden<br />

rund um den Gynäkologen Albert Rosen thematisiert.<br />

Mit Blick auf die Biographie von RN sind zwei Einsprengsel von Interesse: einige<br />

Passagen über den Rüstungsmogul Zaharoff und die sarkastische Darstellung eines<br />

„Concordiaballs“, die die Kritik Arthur Schnitzlers am ersten Wiener Penclub-Ball<br />

(im Jänner 1930) aufgreift.<br />

Neumanns Liebe zu „dämonisch“-abgründigen Figuren schließt ein Faible für<br />

(kontrastierende) „reine Toren“ ein, Figurenkonstellation und gesellschaftskritische<br />

Intention geraten einander in die Quere. So kommt er im Nachwort von 1964 mit<br />

Bezug auf den „naiven“ Georgier Karachan zu der seltsamen Erklärung, dass der<br />

„Aufstand jener heroischen, ein wenig faschistischen Bergfürsten meine literarische<br />

Sympathie hat, nicht meine politische“.<br />

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