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StudienVerlag - Oapen

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An Friedrich Karl Kaul<br />

Locarno, 9.11.1967<br />

Ms. o. U., ÖNB<br />

Lieber Professor Kaul,<br />

haben Sie herzlichsten Dank für Ihren Brief. In Sachen Lübke: wenn das wahr ist,<br />

was der SPIEGEL über die gutgemeinte Fälschung jener Kopien berichtet – man<br />

könnte ununterbrochen zerspringen, und Ihr solltet diesen Mann öffentlich desavouieren.<br />

Aber derlei ist wahrscheinlich aus ganz anderen Gründen dort so schwer<br />

durchzusetzen wie im Westen.<br />

In Sachen der Israel-Deklaration habe ich volle Sympathie für Ihre Schwierigkeiten<br />

– aber kein Verständnis dafür, daß ein so sehr prominenter Anwalt wie Sie,<br />

so sehr unersetzlich für Ihr Land, mit einem so hohen „Exportwert“ sich etwas<br />

aus einem wohl erwogenen Text streichen läßt, ohne Krach zu schlagen und seine<br />

Unterschrift zurückzuziehen. Mit dem von einen Genie in Ihrem Politbüro gestrichenen<br />

einen Satz im Text hätten die prominenten Juden in Ihrem Land ausnahmslos<br />

unterschrieben (von zweien weiß ich, daß sie ihre Unterschrift gerade von der<br />

Insertion eines solchen Satzes abhängig gemacht haben) – und auch progressive<br />

Juden des Westens einschließlich meiner selbst hätten dann (bis auf Einzelheiten<br />

der Formulierung) grundsätzlich mit Ihnen übereingestimmt. Wie es jetzt ist, bleibt<br />

für unsereinen die (wie ich ja nun weiß ungerechtfertigte) peinliche Impression<br />

eines von oben befohlenen Schriftstücks – in einem Staat, der immerhin, ebenso<br />

wie Westdeutschland, von einem Volk bewohnt wird, das eine bedingungslose Austreibung<br />

der Juden aus welchem Weltteil immer nicht befürworten darf. (Auch das<br />

mit der „Aggression“ liegt ja doch nicht so einfach, wie wir beide wissen. Nasser<br />

wollte vermutlich wirklich keinen Krieg, aber er hat bei diesem Pokerspiel eben<br />

zu hoch geblufft, wobei das den unerträglichen Hochmut der Israelis nicht entschuldigen<br />

soll.) Dieses starre Festhalten der DDR an dem „Streichen Ihres Satzes“<br />

ist umso unverständlicher als sogar die Sowjetunion in aller Stille „Ihre“ Haltung<br />

akzeptiert hat.<br />

Müssen Sie unter diesen Umständen nach Kairo gehen? Zur Verstärkung dieses<br />

allgemeinen Mißverständnisses über Ihre Person, oder um dort an Ort und Stelle<br />

laut zu erklären, daß Sie mißverstanden worden sind und daß Sie die Existenzberechtigung<br />

des jüdischen Staates unter Voraussetzung des Rückzugs seiner Truppen<br />

und eines ordentlichen Friedensvertrages und Gewaltverzichts von beiden Seiten<br />

anerkennen? Können Sie das nicht, gibt es dann nicht für Sie andere Urlaubsziele?<br />

zum Beispiel den Tessin? […]<br />

„Gutgemeinte Fälschung“: Siehe dazu in diesem Band die Anmerkungen zu „Konspiration<br />

des Schweigens – Ein Lübke zuviel“ (1966).<br />

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