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StudienVerlag - Oapen

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hat denn auch – Naziopfer hilft Naziopfer – unter dem 22. März 1960 dieser Bitte<br />

Folge geleistet, und obgleich er in diesem Vorwort mit der ihm eigenen Offenheit<br />

sanft beklagt, daß dieser gräßliche Bericht nicht „zurückhaltender“ ist („ich muß die<br />

deutschen Verleger, die den Vorschlag, das Buch hier auszubringen, nicht begeistert<br />

aufgriffen, in Schutz nehmen“, schreibt er mit der ihm eigenen, drei Prädikaten<br />

mühelos gerechtwerdenden stilistischen Eleganz) – so schließt er doch mit einem<br />

Satze ab, vor dessen vornehmer Gesinnung die Gegner dieses ausgezeichneten und<br />

verkannten Mannes in Beschämung erröten sollten.<br />

„In unserem Lande“, so schreibt er, „ist, was die Gesinnung angeht, durchaus<br />

noch nicht alles so, wie man es sich wünschen möchte. Es gibt hartnäckige Gemüter,<br />

die dem Wahren ausweichen, indem sie sich an das Unwahrscheinliche klammern.“<br />

Er schließt ab: „Ich hoffe, daß man aus meinen Worten meinen guten Willen<br />

und meine Anteilnahme herausfühlen werde. – Friedrich Sieburg.“<br />

Wir aber wollen ihn nicht vergebens hoffen lassen. Wir fühlen sie heraus. „Jedes<br />

Wort, was ich schreibe, soll ein Weg ins Herz Deutschlands sein“, hat er schon 1953<br />

aufgerufen. Auch das fühlen wir heraus. In jedem Wort was er schreibt.<br />

So etwa sähe es wohl aus – verteidigte ich Sieburg gegen mich selbst. Jetzt aber<br />

zurück zu Schonauer. Und versuchen wir, wieder ernst zu sein. Schonauer schreibt:<br />

„Bestimmte faschistische und neokonservative Tendenzen in der heutigen deutschen<br />

Literatur darzustellen, wird Gegenstand einer weiteren Untersuchung sein.“<br />

Recht so. Ich erhoffe mir von ihm eine noch sehr viel substantiellere Entlarvung<br />

nicht der Toten, nicht derer, die sich selbst überlebt haben, sondern gerade der<br />

Sieburgs – derer also, denen es gelungen ist, sich an die Weit Adenauers anzuschmeißen,<br />

wie sie sich an die Welt Hitlers angeschmissen haben.<br />

Warum? Sieburg „bereue ohnedies“, schreibt mir ein Freund von ihm, der dagegen<br />

ist, daß ich Schonauers Buch so bespreche, wie ich es hier bespreche. „Man<br />

müsse ihm vergeben.“ Ich aber glaube, daß man einem, der sich zum Sachwalter<br />

deutschen Geistes aufspielt und in einer Notzeit dieses Geistes so unsäglich versagt<br />

hat, erst vergeben darf, wenn er, der Religion des Vergebens gemäß, Bereitschaft,<br />

Beichte und Buße geleistet hat. Er „habe ohnedies schwer darunter gelitten, daß<br />

ihm in Frankreich später niemand mehr die Hand gab“, schreibt mir eine andere<br />

vermittelnde Seele. Ich aber reserviere jedes mögliche Mitleid für Sieburgs und<br />

meine Kollegen Hasenclever und Ernst Weiß, die in Paris Selbstmord begingen,<br />

während Sieburg wegen ungeschüttelter Hände in der Pariser Nazi-Gesandschaft<br />

litt. Ich reserviere mein Mitleid für seine und meine Kollegen Ossietzky und Mühsam<br />

– zu Tode geprügelt, während der „Lutteur et Nazi“ wie Gott in Frankreich saß.<br />

Wieviele Franzosen reisten an dem Tag, da er sich im „Cercle des Collaborateurs“<br />

in Paris zu seiner Gesinnung bekannte, von diesem selben Paris nach Auschwitz<br />

und Maidanek? Wie „litt“ Sieburg am Tage von Oradour?<br />

Lassen wir es damit genug sein. Ist es wirklich so wichtig? Es ist wirklich so wichtig.<br />

Daß so viele dieser kompromittierten Männer imstande waren, sich der jungen<br />

Bundesrepublik mit dem Beginn des Kalten Krieges als Stützen der Gesellschaft, als<br />

garantiert konservative Fachleute, als Patent-Bollwerke gegen den Kommunismus<br />

zu verkaufen: daran krankt diese Republik bis zum heutigen Tag. Man sage nicht,<br />

Sieburg „leide“ im stillen Kämmerlein oder er sei heute kein Nazi mehr sondern

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