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StudienVerlag - Oapen

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An Kurt Desch<br />

Locarno, 4.3.1961<br />

Ms. o. U. („Abschrift“), ÖNB<br />

Lieber Freund Desch,<br />

danke für die Kopie des Bermann-Fischer-Briefes vom 2. März. Das ist ja ein<br />

erschröckliches Unwetter, das sich da über unseren armen Köpfen zusammenzieht.<br />

Die Damen Mann (ganz abgesehen von Golo, dessen ich mich noch als eines scheuen<br />

Jünglings erinnere und der inzwischen der interessanteste unter den Historikern<br />

Deutschlands geworden ist) haben ja doch nicht nur Thomas Manns Tantiemen<br />

geerbt, sondern auch die hohen sittlichen Grundsätze seiner privaten Welt: soll ich<br />

ernsthaft glauben, daß sie, die doch mit einiger Kenntnis um das Wesen der Parodie<br />

sozusagen erblich belastet sind, mit ihren Geschäftemachern nun also in einen Topf<br />

geworfen sein wollen? Ich traue Menschen allerlei zu – sogar Verlegern – sogar den<br />

Verlegern von Wassermann und von Flake (kennen Sie seine Autobiographie?); aber<br />

selbst sie sollten sich Gedanken darüber machen, wer da wohl „Wettbewerb“ treibt:<br />

ein Autor, der sich aus privaten Gründen der Pietät und literarischen Huldigung den<br />

Weg zur geradlinigen Auswertung der „Nebenrechte“ eines neuen und nicht ganz<br />

mißlungenen Buches schwer macht – oder ein Verleger, der möglicherweise diese<br />

Gelegenheit wahrnehmen will, um das nach all diesen Jahren schon ein wenig blaß<br />

gewordene Konto Krull mit Hilfe eines Prozeßchens, eines Skandälchens vielleicht<br />

doch noch einmal auf Glanz zu polieren.<br />

ich könnte es damit sein Bewenden haben lassen. Was eine Parodie ist, und wo<br />

die Grenze sturer Humorlosigkeit verläuft, entscheide letzten Endes die Gemeinde<br />

der Leser; oder ein wenig später die Geschichte der Literatur: oder, wenn jemand<br />

sich unbedingt lächerlich machen will, auch jetzt schon ein Richter mit seinem<br />

Experten-Stab. Aber was mir noch einmal in diesem Brief des Verlegers ins Auge<br />

sticht, ist diese Erwähnung der „Nebenrechte“. Den „Krull“ hat er doch, gerade was<br />

diese Nebenrechte betrifft, tüchtigerweise in all diesen Jahren gleich einer Zitrone<br />

ausgepresst, sollte man glauben. Was gibt es denn de noch zu verletzen und worum<br />

sorgt man sich? Daß ich nun meinerseits einen „Krull“ dramatisieren, televisieren,<br />

verfilmen will? Das widerspräche dem Wesen der Parodie; sie „raubt“ ihrem Opfer<br />

den Stil, die Mätzchen, die Namen der Personen und mancherlei – nicht aber seine<br />

Identität und auch nicht sein Copyright. (Behauptete ich, mein Buch wäre von<br />

Thomas Mann, so wäre das unlauterer Wettbewerb; kopierte ich entscheidende<br />

Vorgänge in Manns Roman – etwa die, von denen jener Kafka damals behauptete,<br />

Mann habe sie von ihm kopiert – so wäre das Plagiat). Vielleicht könnte man also<br />

gerade diesbezüglich die aufgeregten Damen beruhigen.<br />

Lassen Sie sich doch diesen mysteriösen Passus von den Nebenrechten erklären,<br />

lieber Freund, und sagen Sie mir gelegentlich, was er bedeutet. […]<br />

Bermann-Fischer hat im März 1961 (im Namen der Erbengemeinschaft nach Thomas<br />

Mann) mehrere Gerichtsverfahren gegen Desch und RN eingeleitet.<br />

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