08.09.2014 Aufrufe

Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? - Stiftung ...

Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? - Stiftung ...

Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? - Stiftung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Argentinien<br />

ment) dienen soll. Bereits im Jahr 2003 mündete<br />

die Mobilisierung gegen den Ausbau eines Tagebauprojekts<br />

des kanadischen Unternehmens Meridian<br />

Gold, die in Esquel (Provinz Chubut) Gold und Silber<br />

fördern wollte, in einer Volksabstimmung, in deren<br />

Folge die Bergbauaktivitäten gestoppt wurden. Auch<br />

in Andalagá (Provinz Catamarca) machten sich gesellschaftliche<br />

Gruppierungen gegen das Bergbauprojekt<br />

Agua Rica (Gewinnung von Gold, Kupfer und Molybdän)<br />

von BHP Minerals (Australien) stark. 37<br />

Drittens dreht sich die Debatte um die Themen<br />

Extraktivismus und Enklavenökonomie. 39 So gehen<br />

die (insbesondere metallischen) Rohstoffe, die <strong>internationale</strong><br />

Bergbauunternehmen in Argentinien abbauen,<br />

hauptsächlich in den Export, während die<br />

meisten der für den einheimischen Markt gebrauchten<br />

Mineralien reimportiert werden müssen, nachdem<br />

sie im Ausland weiterverarbeitet wurden. Vor dem<br />

Hintergrund dieser »dreifachen Außenabhängigkeit«<br />

des Bergbausektors (von ausländischem Kapital, Rohstoffexport<br />

und Import verarbeiteter Mineralien) sind<br />

Extraktivismus und Enklavenökonomie zu Topoi der<br />

Bergbaukritik in Argentinien geworden. <br />

Der vierte Gegenstand der Bergbaukontroverse ist<br />

die lokale Entwicklung. In erster Linie wird der Umstand<br />

kritisch diskutiert, dass die Gemeinschaften<br />

vor Ort, die am stärksten von den Umweltschäden der<br />

Bergbauprojekte betroffen sind, zugleich diejenigen<br />

sind, die am wenigsten von diesen ökonomisch profitieren.<br />

Von der Gesamtheit der Steuern und Abgaben,<br />

welche die exportorientierten Bergbauunternehmen<br />

zahlen, beansprucht die Bundesregierung rund<br />

90 Prozent, während die Provinzen – Eigentümerinnen<br />

der Ressourcen – weniger als zehn Prozent erhalten.<br />

Der Anteil der Departements, der politischadministrativen<br />

Einheiten unterhalb der Ebene jener<br />

Provinzen, in denen die Bergbauprojekte abgewickelt<br />

werden, kann lediglich zwischen drei und null Prozent<br />

betragen. In Argentinien fehlt es an nennenswerten<br />

positiven Erfahrungen mit bzw. an einer konsolidierten<br />

Praxis der Errichtung von Treuhandfonds,<br />

Mechanismen des Finanzausgleichs, partizipatorischen<br />

Entwicklungsplänen und anderen Verfahren<br />

zur Umverteilung von Rohstoffrenten. Die neuen<br />

Initiativen der Bundes- und Provinzregierungen zur<br />

Bildung von Staatsunternehmen, die sich an der Förderung<br />

und deren Gewinn beteiligen, lassen Zweifel<br />

darüber aufkommen, ob die Bürgerinnen und Bürger<br />

der Bergbauregionen jemals Endbegünstigte der Rohstoffrente<br />

sein werden.<br />

Insgesamt setzten die Regierungen in Buenos Aires<br />

und in den Bergbauprovinzen zu einseitig darauf, den<br />

Bergbausektor für ADI attraktiv zu machen. Neuerdings<br />

geht es ihnen zudem darum, stärker an der<br />

Bergbaurente beteiligt zu werden.<br />

Die Informations- und Partizipationsmöglichkeiten<br />

der Bevölkerung in Bergbauangelegenheiten sind<br />

extrem schwach entwickelt. Misstrauen und Konfrontation<br />

prägen die Auseinandersetzungen. Indem aber<br />

neben den ökonomischen Interessen rechtliche, politische<br />

und soziale Aspekte unberücksichtigt bleiben,<br />

zivilgesellschaftliche Akteure nicht rechtzeitig eingebunden<br />

und institutionelle Mechanismen zum<br />

Interessenausgleich und zur Streitbeilegung nicht<br />

implementiert werden, wächst das Konfliktpotenzial.<br />

Dies steht im Gegensatz zu der Rechtssicherheit und<br />

dem stabilen Umfeld, welche die Bundes- und viele<br />

Provinzregierungen dem ausländischen Kapital<br />

anbieten möchten.<br />

37 Vgl. IDESA (Hg.), La minería y su aporte al desarrollo económico<br />

nacional [wie Fn. 1], S. 113f.<br />

38 Unter Extraktivismus wird eine Entwicklungsstrategie<br />

verstanden, die auf die höchstmögliche Ausbeutung von Rohstoffen<br />

(und Agrarland) für den Export mit keiner <strong>oder</strong> geringer<br />

Verarbeitung zum Zwecke der Devisensicherung abzielt.<br />

39 Enklavenökonomien nennt man Volkswirtschaften, die<br />

auf der Übereignung von Ressourcen an extraterritoriale<br />

Akteure basieren, ohne dabei nennenswerte endogene Wertschöpfungsketten<br />

zu generieren. Die Charakterisierung des<br />

Bergbaus als Enklavenwirtschaft weist darauf hin, dass die<br />

sektorale Produktionslogik vom lokalen Produktionszyklus<br />

abgekoppelt ist.<br />

40 Siehe die diesbezügliche Grundsatzkritik bei Maristella<br />

Svampa/Mariana Antonelli (Hg.), Minería transnacional, narrativas<br />

del desarrollo y resistencias sociales, Buenos Aires 2009.<br />

41 Es gibt abweichende Einschätzungen zur Verteilung des<br />

Bergbaueinkommens. Alle stimmen jedoch in der dreistufigen<br />

Gewichtung (Zentralstaat Provinzen Departements)<br />

überein. Die hier zitierten Angaben stammen aus Daniel Gonzalo<br />

Jerez/Hugo Nielson, Análisis de la situación actual y aspectos<br />

a considerer en la discusión de las cuestiones tributarias de la minería<br />

en la Argentina, Mai 2012, (eingesehen<br />

am »Reclaman una mejor distribución delos<br />

impuestos a la minería«, in: El Inversor Energético & Minero,<br />

<br />

<br />

2012).<br />

SWP Berlin / BGR Hannover<br />

Analyse und Vergleich der<br />

Rohstoffstrategien der G20-Staaten<br />

Februar 2013<br />

32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!