Nationale Alleingänge oder internationale Kooperation? - Stiftung ...
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China<br />
Kosten für die Entwicklung einer Eisenerzmine in<br />
Westaustralien von 1,9 auf 7,1 Milliarden US-Dollar<br />
gestiegen. Bei Arbeitskonflikten in der sambischen<br />
Chambishi-Kupfermine haben lokale Arbeiter und ein<br />
chinesischer Manager ihr Leben verloren. In Papua-<br />
Neuguinea und in Peru stehen Chinas Investoren in<br />
zahlreichen Arbeits-, Umwelt- und Landkonflikten mit<br />
den lokalen Gemeinschaften. Diese Beispiele zeigen,<br />
dass die Unternehmen der Volksrepublik noch lernen<br />
müssen, mit komplexen bergbaurechtlichen Regulierungen,<br />
mit einer kritischen Öffentlichkeit, mit unabhängigen<br />
Gewerkschaften <strong>oder</strong> Teilhabe fordernden<br />
lokalen Gemeinschaften umzugehen. 36<br />
Reservebildung und Lagerhaltung<br />
Wie bereits im Weißbuch von 2003 festgelegt wurde,<br />
gehören Reservebildung und Lagerhaltung zur nationalen<br />
Versorgungssicherung. Die zentrale Zuständigkeit<br />
hierfür liegt bei der staatlichen Lageragentur SRB,<br />
die der Reformkommission NDRC nachgeordnet ist.<br />
Die physische Lagerhaltung selbst fällt in den Aufgabenbereich<br />
der Provinzen. Rohstoffreserven existieren<br />
sowohl für Massenmetalle (z. B. Aluminium, Eisen,<br />
Kupfer, Zinn) als auch für eine Reihe seltener Metalle<br />
(z. B. Chrom, Mangan, Molybdän, Lithium, Selen, Seltene<br />
Erden, Tantal, Vanadium, Wolfram, Zirkonium)<br />
und für Kalisalz. Eine offizielle Liste strategischer<br />
Metalle und Mineralien gibt es nicht. Vielmehr behält<br />
sich das SRB vor, ad hoc und pragmatisch festzulegen,<br />
welche Rohstoffe in welchen Quantitäten eingelagert<br />
werden, jeweils in Abhängigkeit vom geschätzten<br />
Bedarf. Transparenz bei Lagerbeständen und -strömen<br />
ist nicht erwünscht, um Spekulationen zu vermeiden.<br />
Ziel der Lagerhaltung ist der Ausgleich von Marktspitzen<br />
und die Sicherung der Marktversorgung in<br />
Hochpreisphasen.<br />
Ausblick und Bewertung<br />
Die epochale Aufgabe, China zu m<strong>oder</strong>nisieren und<br />
zu industrialisieren, wird wohl nicht an einer mangelnden<br />
<strong>oder</strong> unsicheren Versorgung mit Metallen<br />
und Mineralien scheitern. In Bezug auf die Versorgungssicherheit<br />
ist die Rohstoffpolitik effektiv und<br />
erfolgreich – trotz aller fehlenden Kohärenz und<br />
Transparenz. Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass<br />
Chinas Industrieunternehmen über einen privilegier-<br />
36 Vgl. Michael Komesaroff, »Screwing up in Foreign Climes«,<br />
in: China Economic Quarterly, 15 (2012) 2, S. 9–11.<br />
ten Zugang zu Rohstoffen verfügen: die reichen<br />
heimischen Lagerstätten, der kräftige Importsog der<br />
chinesischen Rohstoffnachfrage, die Bevorzugung<br />
der chinesischen Rohstoffverbraucher infolge der<br />
Ausfuhrbeschränkungen und die Erschließung ausländischer<br />
Rohstoffquellen. Sicherlich hat die Rohstoffpolitik<br />
einen wichtigen Beitrag zur raschen<br />
Industrialisierung des Landes und den dabei erzielten<br />
hohen Wachstumsraten geleistet. Offensichtlich<br />
erzielt das Land seine Ressourcenrente nicht dadurch,<br />
dass es den Verkaufserlös für die aus heimischen<br />
Lagerstätten geförderten Rohstoffe maximiert, sondern<br />
indem es Wertschöpfung und Beschäftigung im<br />
Inland schafft. Gleichwohl wirkt die Rohstoffpolitik<br />
Chinas wie der Zauberlehrling, der die Geister, die er<br />
einst rief, nicht mehr beherrschen kann. Angesichts<br />
der wachsenden Überkapazitäten in der Raffinerieproduktion,<br />
der um sich greifenden Umweltprobleme<br />
sowie der grassierenden Korruption und Kriminalität<br />
in den Provinzen und Bezirken scheint die Entwicklung<br />
in Bergbau und Rohstoffwirtschaft kaum noch<br />
kontrollierbar zu sein. Noch weniger zu beeinflussen<br />
sind die Aktivitäten der chinesischen Bergbau- und<br />
Rohstoffunternehmen im Ausland.<br />
Vor diesem Hintergrund sind die Chancen gering,<br />
China in eine <strong>internationale</strong> Rohstoffgovernance einzubinden.<br />
Wenn es im eigenen Land schon nicht recht<br />
gelingt, eine kohärente, transparente Regulierung<br />
durchzusetzen, muss die Skepsis gegenüber Anstrengungen<br />
auf <strong>internationale</strong>r Ebene umso größer sein.<br />
Während das Hauptinteresse Chinas dem Zugang zu<br />
existierenden <strong>oder</strong> neu zu erschließenden Rohstoffquellen<br />
gilt, wird von westlichen Governance-Initiativen<br />
befürchtet, dass sie die eigenen Bemühungen<br />
um Versorgungssicherung behindern könnten. Von<br />
nationalistischer Seite werden westliche Regulierungsvorschläge<br />
sogar als verkappte Versuche gesehen,<br />
China in seinem rechtmäßigen Aufstieg Fesseln anzulegen.<br />
Eher als Transparenzrichtlinien würde man<br />
sich eine <strong>internationale</strong> Wettbewerbskontrolle der<br />
multinationalen Rohstoffkonzerne wünschen, so dass<br />
Preismanipulationen – etwa durch vorsätzliche Zurückhaltung<br />
von Angebot und Produktion – Einhalt<br />
geboten werden können. Doch in dem Streben nach<br />
nationaler Unabhängigkeit in der Rohstoffversorgung<br />
wird sich die Volksrepublik eher auf die eigenen Stärken<br />
verlassen – etwa auf die Nachfragemacht des Inlandsmarktes<br />
und die Finanzkraft der Staatsunternehmen<br />
– als auf unerprobte <strong>internationale</strong> Vereinbarungen.<br />
SWP Berlin / BGR Hannover<br />
Analyse und Vergleich der<br />
Rohstoffstrategien der G20-Staaten<br />
Februar 2013<br />
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