Dokument_1.pdf (1165 KB) - OPUS4
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der Vollmacht, für einen anderen Willenserklärungen abgeben zu dürfen, um diesen<br />
schuldrechtlich zu verpflichten (§§ 164 ff. BGB). Die Ermächtigung betrifft<br />
die dingliche Seite. Sie ist gegenstandsbezogen, die Vollmacht ist personenbezogen.<br />
457 Zweifellos geht die ganz h.M. davon aus, dass das Ausführungsgeschäft<br />
eine entgeltliche Lieferung des Kommissionärs ist. 458 Große Probleme allerdings<br />
bereitet die umsatzsteuerliche Qualifizierung der Ermächtigung im Innenverhältnis.<br />
Während Schön 459 unter wortgetreuer Auslegung des § 3 Abs. 1 UStG in der<br />
Hingabe des Kommissionsgutes, verbunden mit der Ermächtigung, über dieses in<br />
eigenem Namen zu verfügen, zweifellos eine Lieferung annimmt, kommt Giesberts<br />
460 zu dem Ergebnis, dass nicht einmal eine Leistung gegeben ist, da dem<br />
Kommissionär nicht „Substanz, Wert und Ertrag” am Kommissionsgut zukomme.<br />
In diesem Sinne entschied auch der BFH 461 , der sich im Rahmen der Frage des<br />
Zeitpunktes der Lieferung an den Kommissionär mit dem allgemeinen Verhältnis<br />
von § 3 Abs. 1 UStG und § 3 Abs. 3 UStG auseinanderzusetzen hatte. Der erkennende<br />
Senat setzte sich damit in Widerspruch zur historischen Auslegung des Lieferungsbegriffes.<br />
462 a) Historisch-grammatikalische Auslegung<br />
Die klassische Methodenlehre lehrt, der Interpret einer Norm habe sich<br />
zunächst mit dem Wortsinn auseinanderzusetzen. Dieser bilde zugleich die Grenze<br />
der möglichen Auslegung. 463 Legt man dem die Legaldefinition der Lieferung<br />
gemäß § 3 Abs. 1 UStG zugrunde, so scheint die Rechtslage eindeutig, die Norm<br />
geradezu auf den Fall der Ermächtigung zugeschnitten. Bereits § 5 Abs. 1 UStG<br />
1919 formulierte: „In den Fällen, in denen die Steuer lediglich an die Lieferung<br />
anknüpft, liegt eine Lieferung im Sinne dieses Gesetzes vor, wenn der Lieferer<br />
dem Abnehmer die Verfügung über eine Sache verschafft.” Trotz der Verwurzelung<br />
in dem verkehrsteuerlich geprägten Warenumsatzstempelgesetz von 1916<br />
weiche der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes von 1919 bewusst von der<br />
Gleichsetzung der Lieferung mit der Eigentumsübertragung ab und verlange nur<br />
die Verschaffung einer Verfügung über eine Sache. 464 „Der Wortlaut geht unzweifelhaft<br />
auf das Gutachten des RFH 465 v. 20. Juni 1919 zurück, (...), er weicht aber<br />
457 Ausführlich hierzu Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 57 1 b.<br />
458 Statt aller: Bolk/Reiß, DStZ 1980, 385 (386); Friedl, UR 1987, 65 (66); Schön, UR 1988, 1 (1);<br />
Heuermann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs. 3 Anm. 19; RFH v. 11.2.1921, RFHE<br />
4, 316.<br />
459 UR 1988, 1 (2); vgl. auch Friedl, UR 1987, 65 (66), der zumindest eine sonstige Leistung annimmt.<br />
460 UR 1988, 137 (140).<br />
461 BFH v. 25.11.1986, BFHE 148, 547 = BStBl. II 1987, 278 = UR 1987, 141 (141, 142).<br />
462 RFH v. 20.6.1919, RFHE 1 Teil B, 40.<br />
463 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143.<br />
464 Popitz, UStG 1919, 2. Aufl. 1921, S. 313.<br />
465 RFHE 1 Teil B, 40.