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eine den Händler am eigentlichen Kaufvertrag nicht beteiligende Vertragsgestaltung<br />
sei, die insoweit ernstlich gewollt sei und nicht etwa ein Scheingeschäft.<br />
Diese Ansicht ist allerdings nicht unproblematisch. Das Privatrecht stellt<br />
den Bürgern die rechtlichen Formen - Flume 667 spricht von Aktstypen - zur Verfügung,<br />
mit Hilfe derer und in deren Rahmen sie ihre vermögensrechtlichen Beziehungen<br />
im Verhältnis zueinander dezentral regeln können. Maßgebend für die<br />
Auslegung solcher Geschäfte ist in erster Linie der Parteiwille, wie er in dem Geschäft<br />
Ausdruck gefunden hat. Die §§ 133, 157 BGB verpflichten den Richter,<br />
diesen Parteiwillen hinter dem gewählten Wortlaut zu ermitteln und zu seiner<br />
Auslegung das im Verkehr übliche Verständnis unter der Berücksichtigung von<br />
Treu und Glauben heranzuziehen. Die Parteien können zwar die verschiedenartigsten<br />
Rechte und Pflichten begründen, sie können jedoch nicht privatautonom<br />
darüber verfügen, welche causa die Rechtsordnung den vertraglich anerkannten<br />
Rechten und Pflichten zugrunde legt. 668 Wenn das Zivilrecht bestimmte Aktstypen<br />
mit bestimmten Sekundärregeln wie Preisgefahr, Gewährleistung, Fristen<br />
verknüpft, so liegen dem bestimmte Leitbilder zugrunde, die eine besondere Verbindung<br />
von Rechtsform und wirtschaftlichem Inhalt voraussetzen. Da diese Formen<br />
einen Teil der öffentlichen Ordnung darstellen, in der bestimmte Gerechtigkeitswertungen<br />
institutionalisiert sind, lassen sich trotz der Privatautonomie nicht<br />
beliebige Sekundärregelungen mit beliebigen wirtschaftlichen Bestrebungen verknüpfen.<br />
Diese Überlegungen laufen zwangsläufig auf die Frage hinaus, ob der<br />
Ausgangspunkt der Rechtsprechung, „alles was steuerlich gewollt ist, ist gewollt”,<br />
richtig ist. Logisch fortgeführt muss die Frage lauten, ob steuerlich beabsichtigte<br />
Folgen bei der Auslegung überhaupt einen rechtsgeschäftlichen Willen darstellen,<br />
oder ob sie vielmehr ein unbeachtliches Motiv bilden, das auf die Qualifikationsfrage<br />
keinen Einfluss haben darf. 669 Letztlich handelt es sich hier aber um ein<br />
primär zivilrechtliches Problem, dessen Reflex allerdings auf das Steuerrecht<br />
durchschlägt. Nimmt man mit Walz 670 schon auf zivilrechtlicher Ebene ein<br />
Scheingeschäft bei der Gebrauchtwagenagentur an, so ist dies natürlich auch für<br />
das Steuerrecht anzunehmen.<br />
Auch im steuerrechtlichen Schrifttum wird die Meinung vertreten, die Absicht<br />
der Steuerersparnis reiche als wirtschaftlicher Zweck aus, um ein Scheinge-<br />
667 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band II, Das Rechtsgeschäft, § 1 Nr. 2.<br />
668 Wird z.B. bei einem Mietvertrag dem Mieter ein Anspruch auf den späteren Eigentumserwerb<br />
zu einem unrealistisch niedrigen Preis eingeräumt, und liegen die davor zu zahlenden Mietzinsen<br />
erheblich über dem üblichen, so kann der Vertrag entgegen der gewählten Bezeichnung<br />
tatsächlich als Ratenkaufvertrag qualifiziert werden; vgl. hierzu Flume, DB 1972, 1 (6).<br />
669 Seit dem Aufsatz von Hallbauer, JW 1918, 590 ist unbestritten, dass Parteivorstellungen als<br />
grundsätzlich unerhebliches Motiv und nicht als Teil des Geschäftswillens zu werten sind, mit<br />
der Folge, dass ein Irrtum über die steuerrechtliche Qualifikation allenfalls über § 119 Abs. 2<br />
BGB oder das Institut der Geschäftsgrundlage rechtserheblich wird; vgl. Soergel-Hefermehl,<br />
BGB, § 119 Anm. 63.<br />
670 Walz, BB 1984, 1693 (1696); ders., ZHR Bd.147 (1983), S. 281 (309); ebenso Trüter, Steuerlich<br />
motivierte Scheingeschäfte - Ihre Behandlung im Zivilrecht, S. 138 ff.