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mit der Hypothese vereinbart werden kann, dass es zur Verschaffung der Verfügungsmacht<br />

grundsätzlich einer Eigentumsübertragung bedarf. Konsequenterweise<br />

müsste man hier annehmen, dass keine Lieferung gegeben ist, da der Abnehmer<br />

aufgrund vertraglicher Abmachungen nicht zu Verfügungen über den Gegenstand<br />

berechtigt ist. Der BFH hingegen begründet den Lieferungscharakter der Überlassung<br />

eines Gegenstandes unter Eigentumsvorbehalt wie folgt: ”Auch die Überlassung<br />

eines Gegenstandes an einen anderen ohne Eigentumsübertragung, aber in<br />

einer Form, die den rechtlichen Eigentümer für dauernd wirtschaftlich von der<br />

Einwirkung über den Gegenstand ausschließen kann, ist - wenn von dieser Möglichkeit<br />

voraussichtlich Gebrauch gemacht wird - umsatzsteuerrechtlich Übertragung<br />

der Verfügungsmacht.” 262 Es wird hier nicht nur ein unsicherer Rechtsbegriff<br />

durch mehrere andere ersetzt, sondern eine solche Rechtsanwendung verlangt<br />

auch hellseherische Fähigkeiten von einem Richter, der die zukünftigen Verhaltensweisen<br />

des Besitzers abschätzen muss.<br />

Fast gänzlich ignoriert wird im steuerrechtlichen Schrifttum die Rechtsprechung<br />

des BGH zum sog. Anwartschaftsrecht des Käufers. 263 Der Vorbehaltskäufer<br />

erlangt zwar vor Bezahlung der letzten Rate noch nicht die Eigentümerposition,<br />

er hat aber das Recht auf Erwerb des Volleigentums und des Eigenbesitzes.<br />

Er wird bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises automatisch Eigentümer<br />

der Kaufsache, ohne dass es noch weiterer Handlungen des Vorbehaltskäufers<br />

bedarf und ohne dass bei Bedingungseintritt der Übereignungswille des Verkäufers<br />

noch vorhanden sein braucht. 264 Das Anwartschaftsrecht wird von der<br />

zivilrechtlichen Rechtsprechung behandelt wie eine Vorstufe zum Eigentum, ein<br />

dem Eigentum wesensgleiches „Weniger” 265 . Der Anwartschaftsberechtigte kann<br />

über sein Recht in dem Sinne verfügen, dass er es auf andere überträgt 266 oder<br />

verpfändet 267 . Der Vorbehaltskäufer hat zwar noch nicht die Verfügungsmacht an<br />

dem Kaufgegenstand, allerdings erlangt er als Anwartschaftsberechtigter eine<br />

quasi-dingliche Position. Eine zivilrechtlich orientierte Lösung der umsatzsteuerlichen<br />

Verfügungsmacht beim Eigentumsvorbehalt ist also durchaus möglich.<br />

Als weiteres typisches Beispiel für das Auseinanderfallen von umsatzsteuerlicher<br />

Verfügungsmacht und Eigentum wird regelmäßig die Sicherungsübereig-<br />

262 BFH vom 1.10.1970, BStBl. II 1971, 34.<br />

263 Lediglich Crezelius (Steuerrecht II, § 25 Rz. 17) weist auf die Übereinstimmung der<br />

umsatzsteuerlichen Lieferung mit der zivilrechtlichen Interessenbewertung hin. Giesberts (in:<br />

Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 140 Stand Mai/1999) hingegen löst den umsatzsteuerrechtlichen<br />

Eigentumsvorbehalt unter bezug auf dessen wirtschaftliche Bedeutung (wirtschaftliche<br />

Betrachtungsweise). Diese stehe der Begründung eines (zivilrechtlich nicht möglichen) besitzlosen<br />

Pfandrechtes gleich, das sich im Sicherungszweck erschöpfe. Die “Lieferung” unter Eigentumsvorbehalt<br />

könne umsatzsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden als eine Lieferung<br />

mit Übereignung und unmittelbar anschließender (Rück-)Sicherungsübereignung an den<br />

Verkäufer (siehe auch Nieskens in: Rau Dürrwächter, UStG, § 3 Rz. 732).<br />

264 So BGH v. 22.2.1956, BGHZ 20, 88 (97).<br />

265 BGH v. 10.4.1961, BGHZ 35, 85 (89); vgl. auch BGH v. 24.6.1958, BGHZ 28, 17 (21) „im<br />

Vergleich zum Eigentum kein aliud, sondern ein wesensgleiches minus“; Baur/Stürner, Sachenrecht,<br />

§ 59 Rz. 33.<br />

266 Hierzu BGH v. 22.2.1956, BGHZ 20, 88.<br />

267 Hierzu MünchKomm-Westermann, BGB, § 455 Anm. 58, Fn. 153 m.w.N. aus Rechtsprechung<br />

und Literatur und Anm. 73; RGRK-Mezger, BGB, § 455, Anm. 27, 30.

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