Dokument_1.pdf (1165 KB) - OPUS4
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Philipowski 102 führt dagegen aus, es könne nicht Aufgabe der Rechtswissenschaft<br />
sein, Aussagen über das „Wesen der Dinge” zu machen. Worauf es ankomme,<br />
sei, den Inhalt von gesetzlichen Begriffen und Normen zu klären und<br />
festzustellen, welche Rechtsfolgen sich aus einem bestimmten Sachverhalt ergeben.<br />
Für den Steuerrechtler könne die Frage, ob die Umsatzsteuer eine Verbrauchoder<br />
Verkehrsteuer sei, nur bedeuten: Ähneln die Merkmale „Steuertatbestände,<br />
Steuermaßstäbe, Steuerwirkungen”, die bei der Umsatzsteuer zu finden sind, mehr<br />
den vergleichbaren Merkmalen der Verbrauchsteuern oder denen der Verkehrsteuern?<br />
In seiner rechtsvergleichenden Darstellung der Umsatzsteuer zu anderen<br />
Steuergesetzen verlässt Philipowski den Bereich der teleologischen Auslegungsmethode.<br />
Er vergleicht Bestandteile des äußeren Systems, der formalen Konstruktion<br />
des Umsatzsteuerrechts mit anderen Gesetzen. Das äußere System hat für<br />
sich allein jedoch nur einen geringen materiellen Erkenntniswert, es ist einer<br />
sinngerechten Erfassung der Institutionen der Rechtsordnung sogar eher hinderlich.<br />
103 Eigenart der teleologischen Auslegung ist, den materiellen Inhalt eines<br />
Rechtsstoffes, das innere System zu erforschen.<br />
Die allgegenwärtigen Stellungnahmen, die Umsatzsteuer sei in ihrer gesetzestechnischen<br />
Ausgestaltung eine Verkehrsteuer, in ihrer Wirkung jedoch eine<br />
Verbrauchsteuer, sie stelle eine in die juristische Form einer Verkehrsteuer gekleidete<br />
allgemeine Verbrauchsteuer dar, sei steuerrechtlich als Verkehrsteuer<br />
konzipiert, weil sie an Vorgänge des Rechtsverkehrs anknüpfe, werde aber der<br />
wirtschaftlichen und auch der politischen Betrachtungsweise nach meist als<br />
Verbrauchsteuer größten Stils behandelt, zeigen sehr deutlich die unterschiedlichen<br />
Ansätze bei der Auslegung der Umsatzsteuer. Während die Verkehrsteuervertreter<br />
am äußeren formalen System festhalten, stellen die Verbrauchsteuerbefürworter<br />
maßgeblich auf das innere System, die Leitidee der Umsatzsteuer ab.<br />
Der Meinungsstreit über den Rechtscharakter und den Auslegungsmaßstab der<br />
Umsatzsteuer lässt sich damit auf die allgemeine Frage des Verhältnisses der Auslegungsmethoden<br />
zueinander reduzieren. Schon Savigny 104 hat darauf hingewiesen,<br />
dass es sich bei dem Katalog der Auslegungselemente nicht um einander ausschließende<br />
Arten handele, sondern um „verschiedene Tätigkeiten, die vereinigt<br />
werden müssen, wenn die Auslegung gelingen soll”. Der sog. Methodensynkretismus<br />
ist auch heute noch allgemeine Auffassung. 105 Das Rangverhältnis der einzelnen<br />
Methoden zueinander ist jedoch umstritten. Eine Meinung 106 geht davon<br />
aus, die Auslegungskriterien stünden in keinem festen Verhältnis zueinander, allerdings<br />
auch nicht beziehungslos nebeneinander, sondern müssten in ihrer Ver-<br />
102 Umsatzsteuerkongress-Bericht 1985, S. 183 (185).<br />
103 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 19 f.<br />
104 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, S. 213 f., zitiert nach Crezelius, Steuerrechtliche<br />
Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 136, Fn. 147.<br />
105 Z.B. Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 684; Larenz/Canaris, Methodenlehre der<br />
Rechtswissenschaft, S. 163 ff.; vgl. auch BVerfG v. 17.5.1960, BVerfGE 11, 126 (130); v.<br />
19.6.1973, BVerfGE 35, 263 (279).<br />
106 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S. 122 ff.;<br />
Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 684.