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einen Gegenstand. Birkenfeld 251 vermutet in der Verfügungsmacht einen bestimmten<br />
Erfolg oder Zustand, der sich in der tatsächlichen Befähigung des Abnehmers<br />
ausdrücke. Worauf sich diese Befähigung beziehen soll, wird nicht erläutert.<br />
Ein solch weiter Begriff der Verfügungsmacht macht es dann aber notwendig,<br />
den Lieferungsbegriff anderweitig einzuschränken. Dass die Besitzüberlassung<br />
keine Lieferung ist, hänge nicht mit dem Verfügungsbegriff zusammen,<br />
sondern mit dem Leistungsinhalt, der nicht in der Zuwendung der wirtschaftlichen<br />
Substanz bestehe. 252 Auch der BFH 253 bezeichnet die Verschaffung der Verfügungsmacht<br />
als einen Vorgang überwiegend tatsächlicher Natur. Hier wird man<br />
mit dem stereotypen Satz konfrontiert, zur Verschaffung der Verfügungsmacht<br />
müsse der Lieferer Substanz, Wert und Ertrag überlassen. 254 Fraglich allerdings<br />
bleibt, welche Schlüsse aus dieser Formel in Grenzfällen zu ziehen sind.<br />
Die h.M. - geprägt durch Popitz - trennt den Terminus „Verschaffung der<br />
Verfügungsmacht” vollkommen von dessen zivilrechtlichen Grundlagen und<br />
möchte ihm einen eigenen umsatzsteuerspezifischen Inhalt verleihen. Hierbei<br />
darf nicht übersehen werden, dass die Ausführungen von Popitz in eine Zeit fallen,<br />
die insbesondere durch den Verfasser der Reichsabgabenordnung, Enno Becker<br />
255 , geprägt war durch die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise,<br />
welche eine steuerrechtliche Rechtsanwendung losgelöst von zivilrechtlichen<br />
Grundlagen postulierte. 256 Der Versuch, den Begriff aus dessen zivilrechtlichen<br />
Grundlage abzuleiten und ggf. steuerspezifische Korrekturen zu unternehmen,<br />
wurde m.W. bislang nur unzulänglich unternommen. Völlig ungeklärt ist z.B., wie<br />
sich der dargestellte Verfügungsbegriff im Sinne einer tatsächlichen Handlung<br />
oder eines Zustandes mit dem Tatbestandsmerkmal des § 3 Abs. 1 UStG verträgt,<br />
dass nur ein Verfügen des Abnehmers im eigenen Namen ausreicht, um eine Lieferung<br />
anzunehmen. Hier zeigt sich ganz deutlich das rechtliche Element des Verfügungsbegriffes,<br />
da tatsächliche Handlungen in fremdem Namen unvorstellbar<br />
sind. 257 Schließlich gehören zum Begriff der Lieferung auch wieder gewisse willensmäßige<br />
Elemente auf beiden Seiten. Niemand kann liefern ohne liefern zu<br />
wollen, und niemand kann erwerben ohne erwerben zu wollen. 258<br />
Eine zivilrechtlich orientierte Bestimmung des Begriffs „Verschaffung der<br />
Verfügungsmacht” gebietet die allseits abgelehnte Anknüpfung an das Sachenrecht.<br />
Dieses ordnet konkrete Sachen bestimmten Personen in der Weise zu, dass<br />
diesen ein subjektives Recht auf Herrschaft über die Sachen zugewiesen wird.<br />
251 Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 3 Anm. 24.<br />
252 So Nieskens in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 622.<br />
253 BFH v. 24.4.1969, BFHE 95, 410, BStBl. II 1969, 451.<br />
254 BFH v. 13.11.1997, DStRE 1998, 368, 369; v. 8.11.1995, BFHE 179, 189 = BStBl. II 1996 =<br />
DStR 1996, 219.<br />
255 StuW 1924, Sp. 615 ff.<br />
256 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise in ihrer „ersten Phase“ vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht,<br />
§ 5 Rz. 66.<br />
257 Vgl. z.B. zum Erwerb des unmittelbaren Besitzes, BGH v. 27.11.1952, BGHZ 8, 130 (132); v.<br />
9.2.1955, BGHZ 16, 259 (263).<br />
258 Ebenso Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 3 Anm. 24.