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nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausführt? Oder kommt der Wendung<br />
„gewerblich oder beruflich” doch eine eigene Funktion zu?<br />
Der Begriff der Nachhaltigkeit wird zum zentralen Element des Unternehmerbegriffs.<br />
In ihm spiegelt sich die gesamte Dogmatik des Umsatzsteuergesetzes wieder.<br />
Wenn an den Finanzgerichten um die Umsatzsteuerpflicht gestritten wird, geht es regelmäßig<br />
um den subjektiven Tatbestand der Nachhaltigkeit. Die Reihen der Kläger<br />
vor dem BFH werden angeführt von einer Prostituierten 348 , einem Briefmarkensammler<br />
349 , einem Münzsammler 350 , Erben einer Kunstsammlung 351 , welche ihre Sammlungen<br />
veräußern, und den Werksangehörigen eines Automobilkonzerns, die regelmäßig<br />
ihre Werkswagen als Jahreswagen verkaufen. 352 Während es unter der Herrschaft des<br />
alten Umsatzsteuersystems im Interesse des Fiskus lag, ein bestimmtes Rechtssubjekt<br />
als Unternehmer zu qualifizieren, hat sich die Situation mit der Einführung des Allphasennettosystems<br />
mit Vorsteuerabzug oft umgekehrt. Der umsatzsteuerliche Unternehmer<br />
genießt heute das Privileg des Vorsteuerabzuges. Die zentrale Figur der Umsatzsteuer<br />
ist aus wirtschaftlicher Sicht der Nichtunternehmer geworden. 353 Mangels Vorsteuerabzug<br />
bleibt er am Ende der Leistungskette mit der im Preis überwälzten Umsatzsteuer<br />
belastet.<br />
Das Merkmal der Nachhaltigkeit wurde zwar erst in das Umsatzsteuergesetz<br />
1934 aufgenommen, es war indessen aber nicht neu. Schon im Jahre 1919 führte der<br />
RFH 354 in einer rechtsgrundsätzlichen Stellungnahme aus, eine Tätigkeit zur Erzielung<br />
von Einnahmen unterliege nur dann der Umsatzsteuer, wenn sie auf „die Dauer berechnet”<br />
sei. Die Kodifizierung in § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1934 sollte auch an der<br />
Rechtslage nichts ändern. 355 Dem kann man bedenkenlos beipflichten. Wesentlich bedenklicher<br />
allerdings erscheint die Tatsache, dass die Regelung des § 2 UStG unverändert<br />
in das neue Nettosystem übernommen wurde, obwohl sich hier die Rechtslage<br />
fundamental geändert hat. Die Tatbestandsmerkmale „gewerblich” oder „beruflich”<br />
können als historische Relikte aus der Legaldefinition des Unternehmerbegriffes gestrichen<br />
werden. Sie resultieren aus der Entstehungsgeschichte des Umsatzsteuerrechts. 356<br />
Nach dem Warenumsatzstempelgesetz von 1916 357 , dem Vorläufer des ersten Umsatzsteuergesetzes<br />
von 1918, wurden die Anmeldungen der Gewerbetreibenden über bezahlte<br />
Warenlieferungen besteuert. Während man die Beschränkung der subjektiven<br />
Steuerpflicht im ersten Umsatzsteuergesetz von 1918 zunächst beibehielt, wurde diese<br />
schon ein Jahr später auf die berufliche Tätigkeit ausgedehnt, um auch freiberufliche<br />
Tätigkeiten zu erfassen. Obwohl nach der Regierungsbegründung zum Umsatzsteuer-<br />
348 Hierzu BFH v. 4.6.1987, BFHE 150, 192, BStBl. II 1987, 263.<br />
349 Hierzu BFH v. 29.6.1987, BFHE 150, 218, BStBl. II 1987, 744.<br />
350 Hierzu BFH v. 16.7.1987, BFHE 150, 224, BStBl. II 1987, 752.<br />
351 Hierzu BFH v. 24.11.1992, BFHE 170, 275, BStBl. II 1993, 379.<br />
352 Hierzu BFH v. 26.4.1979, BFHE 128, 110; v. 18.7.1991, UR 1991, 288.<br />
353 Ebenso Neeb, DStZ 1991, 705 (705).<br />
354 RFH Gutachten vom 7.2.1919, RFHE 1, Teil B, 12 (16 f.); vgl. auch RFH v. 9.7.1919, RFHE<br />
1, 141; v. 18.2.17, RFHE 20, 263; v. 17.10.1941, RStBl. 1942, 13; v. 22.1.1943, RStBl. 1943,<br />
221; vgl. ferner OFH v. 26.11.1949, BB 1950, 183; BFH v. 3.6.1954, BStBl. III 1954, 238; v.<br />
30.10.1962, HFR 1963, 188; v. 11.11.1965, UR 1966, 92;<br />
355 Vgl. Reg.-Begr. zum UStG 1934, RStBl. 1934, S. 1549 (1550).<br />
356 Ebenso Mößlang, UR 1994, 10 (11).<br />
357 RGBl. 1916, 639.