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27<br />

leologie des Umsatzsteuergesetzes nicht dazu führen, die Grenzen des Wortlautes<br />

einer Norm zu überspielen. Die Grenze jeder Auslegung wird durch den möglichen<br />

oder äußersten Wortsinn, der nach dem Sprachgebrauch eben noch mit einem<br />

mehr- oder vieldeutigen Ausdruck verbunden werden kann, bestimmt.<br />

Schwierigkeiten ergeben sich beim Übergang vom Wortlaut zum Wortsinn, wenn<br />

das Umsatzsteuergesetz Ausdrücke der juristischen Fachsprache verwendet (insbesondere<br />

dem Zivilrecht entnommene Begriffe), ohne deren Bedeutung exakt<br />

definiert zu haben.<br />

Über den möglichen Wortsinn hinaus ist keine Auslegung, sondern nur<br />

noch Rechtsfortbildung möglich. Unstreitig ist, dass das geltende Gesetz nicht<br />

extra legem oder contra legem erweitert werden darf. 141 Umstritten aber ist, ob<br />

bewusste oder unbewusste Gesetzeslücken - praeter legem - durch analoge<br />

Rechtsanwendung (argumentum a simile) geschlossen werden dürfen. Die Rechtsprechung<br />

des BFH 142 zur Analogiefrage im Steuerrecht kann als uneinheitlich<br />

bezeichnet werden, wobei aber eine deutliche Tendenz zum Analogieverbot hervortritt.<br />

Die Frage nach der (Un)Zulässigkeit der Analogie ist keine Frage der<br />

Gesetzesanwendungsmethode, sondern eine verfassungsrechtliche Frage des allgemeinen<br />

Gesetzesvorbehalts (Art. 20 Abs. 3 GG). Zwar kann man Lang 143 darin<br />

zustimmen, die Lückenausfüllung durch Analogie entspreche dem lückenhaft oder<br />

sprachlich unvollkommen zum Ausdruck gekommenen Willen des demokratisch<br />

legitimierten Gesetzgebers und damit dem Demokratieprinzip. Diese Ansicht<br />

deckt sich insbesondere mit neueren Ansätzen der Methodenlehre, die die Auslegung<br />

von Gesetzen nicht nur als einen Akt bloßer „kognitiver Reproduktion” verstehen,<br />

sondern zu einem großen Teil auch als „verstehende Deutung der Norm<br />

und Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger Begriffe”, insoweit auch als schöpferische<br />

Tätigkeit. 144 Ein tatsächlicher Wesensunterschied zwischen Norminterpretation<br />

und Rechtsfortbildung praeter legem ist nicht festzustellen. Die teleologischen<br />

Kriterien, die schon für die Auslegung gelten, sind auch für das Stadium der<br />

Rechtsfortbildung maßgeblich, weshalb Canaris 145 zu Recht nur von einer Fortsetzung<br />

der eigentlichen Auslegung über deren immanente Grenze, den möglichen<br />

Wortsinn spricht. Das (steuerverschärfende) Analogieverbot wird jedoch überwiegend<br />

unter Hinweis auf den Satz „nulla poena sine lege” aus dem Rechtsstaatsprinzip<br />

und dem daraus folgenden Prinzip der Rechtssicherheit abgeleitet.<br />

Nach anerkannter verfassungsrechtlicher Judikatur müssen die zu Eingriffen er-<br />

141 Hierzu Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 184.<br />

142 Die Analogie verneinend: BFH v. 21.10.1069, BFHE 97, 147 = BStBl. II 1969, 736 ff.; v.<br />

16.12.1975, BFHE 117, 563 = BStBl. II 1976, 246 (248); v. 18.2.1977, BFHE 121, 572 =<br />

BStBl. II 1977, 524 ff.; v. 26.4.1978, BFHE 125, 375 = BStBl. II 1978, 628 (630); v.<br />

13.1.1984, BFHE 140, 246 = BStBl. II 1984, 315 (316). Für die Zulässigkeit der Analogie<br />

spricht sich aus: BFH v. 20.10.1983, BFHE 139, 561 = BStBl. II 1984, 221 (224). Auch die<br />

Rspr. des BVerfG hat bisher keine Klarheit geschaffen, vgl. BVerfGE 7, 89 (95); BVerfGE 13,<br />

318 (328).<br />

143 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 189.<br />

144 Zur Abgrenzung von Norminterpretation und methodisch geleiteter Rechtsfortbildung: Papier,<br />

Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 173<br />

ff.<br />

145 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187 f.

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