Dokument_1.pdf (1165 KB) - OPUS4
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standen wohl zweifellos wirtschaftliche Erwägungen, welche schon zu Zeiten des<br />
Warenumsatzstempels und weiterer wichtiger Vorgänger des Umsatzsteuerrechts<br />
angestellt wurden. 475 Allesamt waren sie konstruiert nach dem System der Brutto-<br />
Allphasen-Umsatzsteuer. Hiernach war es ein Unterschied, ob der Kommissionär,<br />
welcher in der Praxis tatsächlich schwerlich vom Eigenhändler zu unterscheiden<br />
ist, in die Lieferungskette eingeschaltet war, oder ob man gegebenenfalls eine<br />
sonstige Leistung in Höhe der Provision annahm, welche erst das Umsatzsteuergesetz<br />
von 1919 kannte. Die Einschaltung des Kommissionärs führte zu einer<br />
weiteren, voll der Umsatzsteuer unterliegenden Handelsstufe. Insofern war eine<br />
wirtschaftlich orientierte Auslegung der historischen Steuergesetze, welche 1934<br />
zunächst in die Durchführungsbestimmungen und 1967 in § 3 Abs. 3 UStG inkorporiert<br />
wurde, gerechtfertigt. Ob diese aber im aktuellen Umsatzsteuerrecht noch<br />
Berechtigung haben kann, ist fraglich.<br />
Durch den Vorsteuermechanismus ist im Ergebnis irrelevant, ob man den<br />
Kommissionär in die Lieferkette einschaltet, oder ob man eine sonstige (Arbeits)Leistung<br />
in Höhe der Provision annimmt. 476 Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung<br />
des Kommissionsgeschäftes kann also losgelöst von wirtschaftlichen<br />
Vorüberlegungen erfolgen, zumal das Ergebnis ohnehin durch § 3 Abs. 3 UStG<br />
vorweggenommen ist. Von dogmatischem Interesse ist, eine Aussage darüber zu<br />
treffen, welches Ergebnis sich ohne obige Norm einstellen würde. Insbesondere<br />
die Autoren Schön und Giesberts haben sich im Anschluss an das BFH-Urteil 477<br />
vom 25.11.1986 mit diesem Fragenkreis auseinandergesetzt, weshalb im Folgenden<br />
zunächst auf deren Interpretationen einzugehen ist.<br />
b) Die Auffassung von Schön<br />
Schön beruft sich in seinen Ausführungen hauptsächlich auf die historische<br />
Entwicklung des Lieferungsbegriffs. Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 UStG lasse<br />
keinen Zweifel daran, dass die Verschaffung der Verfügungsmacht qua Ermächtigung<br />
als umsatzsteuerliche Lieferung zu qualifizieren sei. „Die Richtigkeit dieser<br />
Auslegung wird vollends deutlich, wenn man bedenkt, dass § 5 UStG 1919 , der<br />
erstmals den Begriff der Lieferung als den der Verschaffung der Verfügungsmacht<br />
definierte, vom Gesetzgeber speziell auf das Kommissionsgeschäft zugeschnitten<br />
war.” 478 Vor der Einführung des § 3 Abs. 3 UStG war in Rechtsprechung<br />
und Schrifttum das Lieferungsgeschäft im Innenverhältnis nicht in Frage<br />
gestellt worden. Mit keinem Wort geht Schön aber auf die fundamentalen Änderungen<br />
im Umsatzsteuerrecht ein, die das Umsatzsteuergesetz von 1967, welches<br />
475 Auch im bremischen UStG von 1864 wurde das Kommissionsgeschäft ausdrücklich als Lieferung<br />
behandelt. Desweiteren weist Popitz auf das tschechoslowakische Umsatzsteuerrecht und<br />
auf einen österreichischen Gesetzesentwurf hin; vgl. Popitz, UStG 1919, 2. Aufl. 1921, S. 327.<br />
476 Vgl. hierzu das Beispiel bei Bolk/Reiß, DStZ 1980, 385 (386).<br />
477 BStBl. II 1987, 278 = UR 1987, 141.<br />
478 UR 1988, 1 (2).