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123<br />
C. Wirtschaftliche Betrachtungsweise als Zurechnungsmittel<br />
Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise besteht darin,<br />
Rechtsnormen nach ihrem wirtschaftlichen Sinn, „nach ihrer auf die wirtschaftliche<br />
Wirklichkeit gerichteten Bedeutung zu verstehen und fortzubilden” 599 . Wenn<br />
im Umsatzsteuerrecht also die Rede davon ist, die Zurechnung von Umsätzen<br />
habe aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung zu erfolgen 600 , so geht es<br />
eigentlich um die Auslegung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 u. 9 UStG. Diese<br />
Normen bilden die Rechtsgrundlage dafür, Lieferungen und sonstige Leistungen,<br />
die ein Unternehmer im Inland erbringt, der Besteuerung zu unterwerfen. Objekt<br />
der Auslegung ist demnach u.a., wer als leistender Unternehmer anzusehen ist.<br />
Trotz aller Schwierigkeiten bei der Definition und Durchführung der<br />
wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist man sich im Grundsatz darüber einig, dass<br />
die wirtschaftliche Betrachtung dort ihre eigentliche Bedeutung erlangt, wo<br />
Querverbindungen des Steuerrechts zum Zivilrecht bestehen. 601 Neben der<br />
Auslegung der steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale umfasst das Schlagwort<br />
der wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch einen weiteren Problemkreis, den<br />
der Sachverhaltsbeurteilung. 602 Hier ist Kern der wirtschaftlichen Betrachtung,<br />
dass bei der Beurteilung eines Sachverhaltes nicht allein nach dem äußeren<br />
Erscheinungsbild geurteilt werden darf, sondern dass bei der Beurteilung auch der<br />
dem Sachverhalt eigene wirtschaftlich bedeutsame Inhalt zu beachten ist.<br />
Verbreitet ist auch die Meinung 603 , die wirtschaftliche Betrachtungsweise entfalte<br />
ihre Wirkung zwischen Gesetzesauslegung und Sachverhaltsfeststellung.<br />
Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken, die gegen die unterschiedlichen<br />
Verständnisvarianten der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bestehen, soll im<br />
folgenden analysiert werden, inwiefern wirtschaftliche Überlegungen bei der<br />
Bestimmung des leistenden Unternehmers grundsätzlich mit der Systematik der<br />
Umsatzsteuer in Einklang zu bringen sind. 604<br />
1. Wirtschaftliche Zurechnung des Ergebnisses<br />
Im Rahmen der Diskussion um die umsatzsteuerliche Behandlung von<br />
Treuhandverhältnissen wird von Vertretern der wirtschaftlichen Betrachtungswei-<br />
599 Beisse, StuW 1981, 1.<br />
600 So der BFH v. 13.3.1987, BFHE 149, 313 = BStBl. II 1987, 524 = UR 1988, 202; v.<br />
14.1.1954, BFHE 58, 550 = BStBl. III 1954, 120; v. 15.12.1983, BFHE 140, 354 = BStBl. II<br />
1984, 388 = UR 1984, 103 (104), “Maßgeblich ist, ... und dass ihm das wirtschaftliche Ergebnis<br />
des aus seinem Unternehmen ausgelagerten Umsatzes zufließt.”<br />
601 Hierzu Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 196.<br />
602 Hierzu Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 195.<br />
603 So Hartmann, Auslegung und Anwendung von Steuergesetzen, S. 196.<br />
604 Zu den Bedenken gegen die wirtschaftliche Betrachtungsweise vgl. Crezelius, Steuerrechtliche<br />
Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 195 ff.; Hartmann, Auslegung und Anwendung<br />
von Steuergesetzen, S. 195 ff.