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194<br />
(4) Wirtschaftliche Zurechnung von Vorleistungen<br />
(a)<br />
Tatsächliche Vorgänge als Substrat<br />
der Besteuerung<br />
Voraussetzung für die schuldrechtliche Bestimmung des Leistungsempfängers<br />
ist jedoch, dass die Leistung auch tatsächlich an diesen erbracht wird.<br />
Wird die Leistung an einen anderen erbracht, als an den schuldrechtlichen Leistungsgläubiger,<br />
so ist der andere (Dritte) Leistungsempfänger. 924 Die Person des<br />
Leistungsempfängers richtet sich dann nicht mehr nach der zivilrechtlichen Anspruchslage,<br />
sondern nach der tatsächlichen Erfüllung. Der BFH 925 zieht diesen<br />
Schluss aus der Ausrichtung des Umsatzsteuerrechts, welches die Besteuerung<br />
tatsächlicher wirtschaftlicher Vorgänge im Auge habe.<br />
Tatsächlich muss das Umsatzsteuerrecht den wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen<br />
folgen, sofern diese von der schuldrechtlichen Ausgangslage abweichen.<br />
So wie es auch beim Leistungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auf eine<br />
Leistung tatsächlicher Art ankommt und nicht auf eine schuldrechtliche<br />
Verpflichtung, so kommt es beim Kompensationstatbestand des § 15 Abs. 1 Satz<br />
1 Nr. 1 UStG natürlich auch darauf an, dass tatsächlich eine Leistung in Empfang<br />
genommen wurde. Die Abzugsberechtigung hier an die zivilrechtliche Auftraggeberstellung<br />
zu knüpfen, hieße, so zutreffend Stadie 926 , den Sinn des § 15 UStG zu<br />
verkennen. Der Zweck des Vorsteuerabzuges verlangt die Entlastung des<br />
Unternehmers, wenn er mit Umsatzsteuer belastet ist, die auf Leistungen ruht, die<br />
er in seinem Unternehmen verwendet. Belastet ist unabhängig von der<br />
zivilrechtlichen Gestaltung derjenige, der die Leistungen empfängt und dafür die<br />
Aufwendungen trägt. Die schuldrechtliche Ausgangslage kann hierfür natürlich<br />
nur indizielle Funktion haben. Werden die schuldrechtlichen Ansprüche jedoch<br />
konsequent erfüllt, so muss sich auch das Umsatzsteuerrecht daran halten.<br />
Letztlich bekennt sich damit auch der BFH zu einer wirtschaftlichen<br />
Identifizierung des Leistungsempfängers. Wirtschaftliche Zurechnung bedeutet<br />
dabei allerdings nicht, dass Umsätze einem anderen als dem tatsächlichen<br />
Leistungsempfänger zuzurechnen sind, etwa weil sie diesen im weiteren Sinne<br />
wirtschaftlich betreffen. Leistungsbezüge eines Treuhänders können nicht dem<br />
Treugeber den Vorsteuerabzug vermitteln, sondern nur dem Treuhänder selbst. 927<br />
Wirtschaftliche Zurechnung bedeutet insofern bei Lieferungen eine grundsätzliche<br />
924 Ebenso BFH v. 1.6.1989, BStBl. II 1989, 677 (679); FG Münster v. 14.11.1995 (rkr), UR<br />
1996, 308; Wenzel in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 227; ebenso Abschnitt 192 Abs. 13<br />
Sätze 3-5 UStR 2000.<br />
925 BFH v. 1.6.1989, BStBl. II 1989, 677 (679).<br />
926 DStJG Bd. 13 (1990), 179 (182).<br />
927 Gl. A. FG Münster v. 14.11.1995 (rkr), UR 1996, 308; FG Schleswig-Holstein v. 13.7.1977<br />
(rkr), EFG 1977, 570; FG des Saarlandes v. 4.11.1994 (rkr), EFG 1995, 351; BGH v.<br />
12.12.1996, UR 1997, 427; a.A. Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Anm. 135 in Anlehnung<br />
an Giesberts im selben Kommentar, § 3 Anm. 275.