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125<br />
a) Wirtschaftliche Betrachtung des Steuersubjektes<br />
Wie bereits ausführlich dargelegt, erfordert die abstrakte umsatzsteuerliche<br />
Subjektfähigkeit ein Mindestmaß an zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit sowohl im<br />
materiellen als auch im formellen Sinne. 610 Nur unter dieser Voraussetzung ist es<br />
überhaupt möglich, Partei zivilrechtlicher Austauschverträge zu sein, die im Regelfall<br />
den Rechtsgrund gegenseitiger Vermögensverschiebungen bilden. Auch<br />
die Einbettung des umsatzsteuerlichen Überwälzungsmechanismus in die zivilrechtlichen<br />
Haupt- und Nebenpflichten des gegenseitigen Vertrages gebieten eine<br />
enge Annäherung an die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit. Die Überwälzung der<br />
Umsatzsteuer kann nur gelingen, wenn der Leistende einen zivilrechtlich durchsetzbaren<br />
Anspruch auf den im Entgelt enthaltenen Umsatzsteuerbetrag hat, und<br />
der Leistungsempfänger dafür die für den Vorsteuervergütungsanspruch notwendige<br />
Rechnung verlangen kann. Der gegenseitige Leistungsaustausch findet in<br />
aller Regel im Rahmen der zivilrechtlichen Synallagmen (§§ 320 ff. BGB) statt. 611<br />
Die Vertragsparteien können, dem Grundsatz der Privatautonomie entsprechend,<br />
ihre Rechtsverhältnisse beliebig gestalten.<br />
Allerdings gilt dies nur innerhalb der allgemeinen Schranken, die die<br />
Rechtsordnung vorgibt. Insbesondere im Bereich der Amtshandlungen stellt die<br />
Rechtsordnung oft höhere Ansprüche an den Amtsinhaber als die allgemeine<br />
Rechtsfähigkeit. Der BFH hatte im Urteil 612 vom 13.3.1987 über die Zurechnung<br />
von Umsätzen aus der Testamentsvollstreckertätigkeit einer Rechtsanwaltssozietät<br />
zu entscheiden. Er rechnete die Umsätze der GbR zu, obwohl diese nach herrschender<br />
Meinung 613 als solche nicht zum Testamentsvollstrecker bestellt werden<br />
kann. In Auslegung des § 2224 BGB wird sich die Ernennung häufig auf die Gesellschafter<br />
gemeinschaftlich beziehen. 614 Der BFH setzt sich somit einfach über<br />
die zivilrechtliche Hürde hinweg, dass die GbR als solche gar nicht Testamentsvollstrecker<br />
sein kann, wenn sie diese Tätigkeit tatsächlich gegen Entgelt ausgeführt<br />
hat. Der Rechtsprechung des BFH ist m.E. zuzustimmen. Die Umsatzsteuer<br />
besteuert nicht das Verpflichtungsgeschäft, sondern tatsächliche Verfügungen als<br />
Akt der Versorgung. Findet eine solche Versorgung tatsächlich statt, so kann es<br />
für die Umsatzbesteuerung nicht mehr relevant sein, ob ein vorgelagertes Verpflichtungsgeschäft<br />
in dieser Weise oder von den beteiligten Personen als solchen<br />
abgeschlossen werden konnte oder durfte. Diesem Ergebnis entspricht auch die<br />
abgabenrechtliche Vorschrift des § 41 Abs. 1 AO.<br />
610 Siehe § 3.C.3.<br />
611 Der EuGH hält ein schuldrechtliches Verhältnis, in dessen Rahmen Leistungen gegenseitig<br />
ausgetauscht werden, sogar für zwingend, um überhaupt von einem Leistungsaustausch ausgehen<br />
zu können; vgl. EuGH v. 3.3.1994, EuGHE 1994, 743 = UR 1994, 399.<br />
612 BFH v. 13.3.1987, BFHE 149, 313 = BStBl. II 1987, 524 = UR 1987, 202<br />
613 MünchKomm-Brandner, BGB, § 2197 Anm. 9;Sörgel-Damrau, BGB, § 2197 Anm. 8.<br />
614 MünchKomm-Brandner, BGB, § 2197 Anm. 9; Soergel-Damrau, BGB, § 2197 Anm. 8.