Dokument_1.pdf (1165 KB) - OPUS4
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154<br />
Mithin die entgeltliche Übertragung des Treugutes vom Treugeber auf den<br />
Treuhänder nach hier vertretener zivilrechtlich orientierter Auffassung zweifellos<br />
den Begriff der Lieferung erfüllt, ist die entgeltliche Übertragung des Treugutes<br />
aus umsatzsteuerlicher Sicht problemlos. Diskutiert werden im folgenden deshalb<br />
Fälle unentgeltlicher Treugutübertragung, wobei zwischen der Übertragung eines<br />
Unternehmens oder Unternehmensteils und der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern<br />
unterschieden wird.<br />
(b) Übertragung eines<br />
Unternehmens oder<br />
Unternehmensteils<br />
(i) Gegenstand der<br />
Leistung<br />
Vorausgesetzt ist nach hier vertretener Auffassung, dass es sich bei der<br />
Übertragung eines Betriebes oder Teilbetriebes auf den Treuhänder um eine Leistung<br />
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handelt. Die Leistung ist der notwendige Oberbegriff<br />
zur Lieferung und sonstigen Leistung und umfasst bekanntlich alles, was<br />
Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sein kann. Umsatzsteuerlich stellt sich bei<br />
Geschäftsübertragungen jedoch seit jeher die Frage, inwieweit dem Zivilrecht zu<br />
folgen ist, wonach die Übertragung eines Unternehmens im Ganzen gar nicht<br />
möglich ist. Bei der Übernahme eines Betriebes müssen die beweglichen Sachen<br />
einzeln übertragen, Grundstücke im Grundbuch umgeschrieben, Forderungen abgetreten<br />
werden, usw. 744 Demgegenüber steht der das Umsatzsteuerrecht dominierende<br />
Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, wonach solche Vorgänge, die<br />
sich wirtschaftlich in einer Einheit vollziehen, nicht mit umsatzsteuerlicher Wirkung<br />
in ihre Bestandteile zerlegt werden. 745 Dies führt dazu, dass Vorgänge, die<br />
zivilrechtlich selbständig je für sich betrachtet werden, umsatzsteuerlich als einheitlicher<br />
wirtschaftlicher Vorgang behandelt werden müssen, wenn sie wirtschaftlich<br />
zusammengehören und als ein unteilbares Ganzes anzusehen sind. 746<br />
Ein einheitlicher Vertrag oder ein Gesamtentgelt reicht indessen allein nicht aus,<br />
um ein Leistungsbündel als einheitliche Leistung anzusehen.<br />
Unter der Übertragung eines Unternehmens im Ganzen versteht man den<br />
Übergang des gesamten lebenden Unternehmens, d.h. die durch das Unternehmen<br />
repräsentierte organische Zusammenfassung von Einrichtungen und Maßnahmen,<br />
die dem Unternehmen dienen oder zumindest seine wesentlichen Grundlagen<br />
ausmachen, so dass der Übernehmer das Unternehmen ohne nennenswerte finan-<br />
744 Dazu Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rz. 25; Klein/Orlopp, AO, § 75 Tz. 2; Palandt – Putzo,<br />
BGB, § 433 Rz. 3.<br />
745 BFH v. 27.10.1966, BStBl. III 1967, 132; v. 12.12.1969, BStBl. II 1970, 362.<br />
746 BFH v. 27.1.1955, BStBl. III 1955, 94; v. 12.5.1955, BStBl. III 1955, 215.