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satzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, so ist die Abgrenzung zwischen<br />
Steuerersparnis und Steuerumgehung fließend. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang<br />
§ 42 S. 2 AO, welcher eine Besteuerung mittels Fiktion eines angemessenen<br />
Sachverhaltes vorsieht. Während bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise<br />
der „wirtschaftliche Kern” des tatsächlichen Sachverhaltes maßgebend sein<br />
soll, bedient sich § 42 AO unter der Voraussetzung der Unangemessenheit der<br />
gewählten Gestaltung eines fingierten Sachverhaltes. Zwar zielen beide Methoden<br />
letztlich darauf ab, dem auf einen wirtschaftlichen Effekt bezogenen Zweck des<br />
Steuergesetzes Geltung zu verschaffen, doch scheint der allgemeine Methodenstreit,<br />
ob Auslegung oder Analogie, im Steuerrecht zugunsten letzterer entschieden<br />
zu sein. 677 Dennoch räumt die Rechtsprechung des BFH der wirtschaftlichen<br />
Betrachtungsweise ausdrücklich Vorrang gegenüber § 42 AO ein. Wenn der bezweckte<br />
Erfolg schon mit Hilfe der wirtschaftlichen Betrachtungsweise erreicht<br />
werden könne, komme es auf die Voraussetzungen des § 42 AO nicht mehr an. 678<br />
Die Rechtsprechung diskreditiert damit aber die Missbrauchsvorschrift und letztlich<br />
die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Besonders deutlich wird die Verwässerung<br />
der Tatbestandsmäßigkeit im Urteil 679 vom 17.7.1980 zur Verwertung<br />
von Sicherungsgut durch den Sicherungsnehmer im Namen des Sicherungsgebers,<br />
in dem maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der Sicherungsnehmer auch dann<br />
von „seiner” Verwertungsbefugnis Gebrauch macht, wenn er das Sicherungsgut<br />
im Namen des Sicherungsgebers veräußert um letztlich wieder die Lieferkette<br />
Sicherungsgeber-Sicherungsnehmer-Erwerber zu schließen, obwohl dieser tatsächlich<br />
nicht in die Leistungsbeziehungen einbezogen ist. Auch das Urteil 680<br />
vom 22.2.1986 zur Gebrauchtwagenagentur geht in diese Richtung, indem es die<br />
ausgemachten Mindestpreise wirtschaftlich als Festpreise interpretiert, um so bereits<br />
im Zeitpunkt der Übergabe des Gebrauchtwagens an den Händler eine Lieferung<br />
i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG annehmen zu können.<br />
Tatbestandsmerkmal für die Zulässigkeit der Besteuerung aufgrund eines<br />
fiktiven (angemessenen) Sachverhaltes ist die Unangemessenheit der gewählten<br />
Gestaltung. Die Probleme, die solch ein Kriterium in der Rechtsanwendung mit<br />
sich bringt, liegen auf der Hand. Zumindest aber für den Fall der Gebrauchtwagenagentur<br />
lassen sich hierzu einige Aussagen treffen. Das wirtschaftliche Ziel ist<br />
klar. Der Neuwagenkäufer möchte den Wert des alten Wagens auf einem möglichst<br />
einfachen Wege, ohne eigene Risiken einzugehen, auf den Neuwagenpreis<br />
anrechnen lassen. Es war deshalb früher weitgehend üblich und entsprach auch<br />
den Interessen beider Parteien, dass der Händler den Altwagen als Eigentümer<br />
übernahm, gegebenenfalls durch Überholung den Wert steigerte und unter Aufschlag<br />
einer geringen Spanne weiterveräußerte. Das Preisrisiko, das Risiko des<br />
677 So Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rzn. 95, 98; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rz. 9.<br />
678 RFH v. 27.4.1933, RFHE 33, 119 (121); BFH v. 8.11.1955, BFHE 61, 499 (503) = BStBl. III<br />
1955, 391; v. 1.2.1957, BFHE 64, 268 (270) = BStBl. III 1957, 103; v. 22.11.1963, BFHE 78,<br />
184 (186 f.) = BStBl. III 1964, 74; v. 9.10.1969, BFHE 98, 21 (23) = BStBl. II 1970, 413; v.<br />
22.1.1970, BFHE 98, 401 (403 f.) = BStBl. II 1970, 416.<br />
679 BFHE 131, 120 = BStBl. II 1980, 673 = UR 1980, 225.<br />
680 BFH/NV 1986, 311.