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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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192 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

sche<strong>in</strong>t man davon auszugehen, dass es e<strong>in</strong>en Restbestand e<strong>in</strong>es Sozialstaates geben wird,<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>artige Hilfsleistungen (und auch die beteiligten Fachkräfte und Institutionen) f<strong>in</strong>anziert.<br />

Am Ende des Buches von Galuske taucht zudem die Vision e<strong>in</strong>er Tätigkeitsgesellschaft<br />

auf, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufstätigkeit ohneh<strong>in</strong> nicht mehr so wichtig ist. All dies funktioniert<br />

natürlich nur dann, wenn sich sozialpolitische Vorstellungen e<strong>in</strong>es steuerf<strong>in</strong>anzierten Grunde<strong>in</strong>kommens<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Bürgergeldes für alle umsetzen lassen.<br />

Ich werde diese Fragestellung später erneut <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Kulturpädagogik und ihre<br />

gesellschaftliche Funktion aufgreifen. Doch zunächst rückt die Schule <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund.<br />

5. DIE SCHULE IM REFORMSTAU<br />

Dass <strong>der</strong> Mensch sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>entwickeln muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en sozialen Kontext, <strong>in</strong> dem schon<br />

zahlreiche Generationen vor ihm ihre Gestaltungsfähigkeit, ihre Phantasie, ihr Können<br />

und ihre Weltsicht <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er gestalteten Umwelt, <strong>in</strong> Form von Regeln und Erfahrungen<br />

h<strong>in</strong>terlassen haben, ist se<strong>in</strong>e anthropologische Erbschaft und die Bed<strong>in</strong>gung und Grundlage<br />

se<strong>in</strong>es Werdens. Diese Erbschaft ist durchaus ambivalent: Er profitiert von se<strong>in</strong>en Vorfahren.<br />

Diese s<strong>in</strong>d jedoch <strong>in</strong> den unh<strong>in</strong>tergehbaren und anzueignenden Bed<strong>in</strong>gungen se<strong>in</strong>es<br />

eigenen Aufwachsens präsent. „Freiheit“ kann <strong>der</strong> Mensch paradoxerweise daher nur<br />

dadurch gew<strong>in</strong>nen, dass er sich <strong>–</strong> zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>igermaßen unfrei und auch unfreiwillig<br />

<strong>–</strong> <strong>in</strong> Lernsituationen begibt. Vieles von dem, was er braucht, lernt er dabei auch heute<br />

noch e<strong>in</strong>fach dadurch, dass er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gestalteten Umwelt lebt, dass er Verhaltensweisen<br />

nachlebt, dass e<strong>in</strong> sanfter Druck von außen dafür sorgt, dass er sich <strong>in</strong> die Sitten und<br />

Gebräuche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>entwickelt. 70 bis 80% aller benötigten Kompetenzen erwirbt man durch<br />

dieses <strong>in</strong>formelle und nonformelle Lernen. Doch schon bald <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte zeigt es sich,<br />

dass dieses <strong>in</strong>formelle o<strong>der</strong> funktionelle Lernen nicht genügt: Es werden Formen des Lernens<br />

<strong>in</strong>stitutionalisiert. Sicherlich gibt es zunächst Meister-Schüler-Beziehungen, bei denen<br />

bewährten Fachleuten des Jagens, des Hüttenbaus, <strong>der</strong> Kriegsführung, vielleicht sogar<br />

<strong>der</strong> Gottesverehrung junge Adapten zugesellt werden, die für das entsprechende Gebiet<br />

beson<strong>der</strong>es Interesse o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte Begabung zeigen. Vielfach werden diese Anlernprozesse<br />

aber auch geschehen se<strong>in</strong>, ohne auf e<strong>in</strong>e spezifische Motivation <strong>der</strong> Zögl<strong>in</strong>ge zu<br />

achten. In jedem Fall erhalten die Zögl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>status, zu dem gehört, dass die<br />

Leistungserwartung noch nicht so groß ist wie bei jemandem, <strong>der</strong> ausgelernt ist. Auch die<br />

Markierung bestimmter Rituale des Übergangs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Status entwickelt sich<br />

überall dort, wo Menschen zusammen leben.<br />

Die jungen Leute wurden freigestellt von an<strong>der</strong>en Aufgaben, um Zeit für das Lernen zu<br />

haben. Genau dies bedeutet <strong>der</strong> griechische Begriff ‚scholé’: Freise<strong>in</strong> von Geschäften, eng<br />

verwandt mit dem Begriff <strong>der</strong> Muße, bei dem allerd<strong>in</strong>gs auch mitschwang, dass diese <strong>der</strong><br />

geistigen Selbstbildung diene. Die anthropologische Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Moratoriums<br />

zum Zwecke <strong>der</strong> E<strong>in</strong>übung von Gesellschaftlichkeit <strong>in</strong> allen ihren Zweck- und Funktionsdimensionen<br />

muss zwar nicht notwendig mit e<strong>in</strong>em Schulsystem erfüllt werden, so<br />

wie es sich <strong>in</strong> Deutschland entwickelt hat (Abb.14). Doch sche<strong>in</strong>t es so zu se<strong>in</strong>, dass sich<br />

e<strong>in</strong>e ähnliche Form von Schule immer dann entwickelt hat, wenn überhaupt Schule entstanden<br />

ist.

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