Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...
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KULTURPÄDAGOGIK UND SCHULE 219<br />
Sozialpädagogik beschrieben habe). E<strong>in</strong>e Theorie <strong>der</strong> Sozialpädagogik, die sich auf „Sozialpädagogik<br />
als Diskurs“ bezieht, respektiert die geme<strong>in</strong>schaftsstiftende Funktion e<strong>in</strong>er Sprache,<br />
ihre wirklichkeits- (und problem-)konstruierende Funktion und enthält implizit den<br />
„S<strong>in</strong>n“ von Sozialpädaogik. Theorienbildung ist daher nicht unmittelbar Problemanalyse<br />
(„Wirklichkeit“), son<strong>der</strong>n Diskursanalyse, bei <strong>der</strong> die Frage nach dem gegenständlichen<br />
Bezug zunächst e<strong>in</strong>mal zurücktritt. Dass dieser Ansatz zu e<strong>in</strong>em guten Ergebnis kommt, bei<br />
dem nach und nach spezifische sozialpädagogische Probleme (<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit „Subjektivität“<br />
als zentralem Versprechen und als Möglichkeit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne) fassbar werden, zeigt<br />
se<strong>in</strong> Buch. Es lohnt sich daher, diesen Ansatz <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf das Problem <strong>der</strong> Konstituierung<br />
<strong>der</strong> Kulturpädagogik zu überprüfen.<br />
Im Vergleich mit <strong>der</strong> Kulturpädagogik werden sogleich Unterschiede deutlich. So lässt sich<br />
zwar auch e<strong>in</strong> Arbeitsfeld bestimmen, das jedoch nicht gee<strong>in</strong>t wird durch e<strong>in</strong>en Diskurs, <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>samkeit konstituiert. Im Gegenteil dazu entsteht Geme<strong>in</strong>samkeit des Feldes <strong>der</strong><br />
Kulturpädagogik eher gegen jeweils bereichsspezifische Sprachspiele (etwa durch e<strong>in</strong>e Fixierung<br />
auf die je eigene Kunstsparte, die dazu führt, dass die Musiker <strong>–</strong> bis vor kurzem fast<br />
ausschließlich <strong>–</strong> über „musikalische“ und selten über „kulturelle <strong>Bildung</strong>“ sprechen). Geme<strong>in</strong>samkeit<br />
wird dabei über die geme<strong>in</strong>same Dachorganisation o<strong>der</strong> die gleichen För<strong>der</strong>töpfe<br />
(etwa K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendplan des Bundes) hergestellt, wobei es den kunstbezogenen<br />
Arbeitsfel<strong>der</strong>n oft schwer fällt, die jugendpolitische Ausrichtung dieser Haushaltstitel zu<br />
erkennen (und zu respektieren). Es gibt auch ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Ausbildung mit genormten<br />
Berufsbil<strong>der</strong>n, Curricula, Berufsorganisationen und Fachzeitschriften, die zu e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>heitlichung<br />
des Diskurses beitragen. Selbst die Annahme e<strong>in</strong>es im Diskurs implizit vorhandenen<br />
„S<strong>in</strong>nes“ von Kulturpädagogik führte zu dem Ergebnis, dass je nach Tradition<br />
und fachlichem Kontext sehr unterschiedliche „S<strong>in</strong>nhaftigkeiten“ <strong>der</strong> jeweiligen kulturpädagogischen<br />
Arbeit unterstellt werden. W<strong>in</strong>klers Ansatz <strong>–</strong> übertragen auf die Kulturpädagogik<br />
<strong>–</strong> setzt also etwas voraus, was es <strong>in</strong> diesem Feld <strong>–</strong> zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> W<strong>in</strong>klerschen<br />
Variante <strong>–</strong> so nicht gibt. Gleichwohl gibt es Anschlussmöglichkeiten. Im Mittelpunkt von<br />
W<strong>in</strong>klers Theoretisierungsversuch steht das „Subjekt als Möglichkeit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne“ (Kap.<br />
9 ff.), wobei dieses im Verhältnis von E<strong>in</strong>zelnem und Gesellschaft, genauer: <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beson<strong>der</strong>en<br />
Aneignungsverhältnis (als Dialektik von Entäußerung und Ver<strong>in</strong>nerlichung) bestimmt<br />
wird: Es geht (<strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Worten) um die emanzipatorische Verfügung über die<br />
eigenen Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft. W<strong>in</strong>kler diskutiert dies vor<br />
dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Hegelschen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Arbeit und <strong>Bildung</strong> (die beide<br />
Prozesse <strong>der</strong> Herausbildung e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>art verstandenen Subjektivität als <strong>in</strong>dividueller erweiterter<br />
Handlungsfähigkeit <strong>–</strong> so K. Holzkamp <strong>–</strong> bezeichnen). „Aneignung“ formuliert so die<br />
klassische Spannung zwischen (<strong>der</strong> Bewältigung fremdgesetzter äußerer) Strukturen und<br />
<strong>der</strong> Autonomie des E<strong>in</strong>zelnen. Offensichtlich besteht die Gefahr, dass letztere <strong>in</strong> <strong>der</strong> H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>entwicklung<br />
<strong>in</strong> die vorgegebenen Strukturen verloren geht. E<strong>in</strong> Ziel von W<strong>in</strong>kler besteht<br />
daher dar<strong>in</strong>, auch und gerade <strong>in</strong> pädagogischen Prozessen die Möglichkeit autonomer<br />
Selbstbestimmung aufrecht zu erhalten. Genau dies ist es, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kulturpädagogik mit<br />
dem Begriff <strong>der</strong> („kulturellen) <strong>Bildung</strong>“ konzeptionalisiert wird. Kunst als e<strong>in</strong> Medium<br />
kulturpädagogischer Arbeit bietet hierfür aufgrund ihres Eigens<strong>in</strong>ns e<strong>in</strong>e Chance, wenngleich<br />
W<strong>in</strong>klers H<strong>in</strong>weis auf die Verführbarkeit <strong>der</strong> Jugendlichen durch die Kultur<strong>in</strong>dustrie (167),<br />
die er als zu bewältigende Schwierigkeit <strong>der</strong> Sozialarbeit sieht, e<strong>in</strong> zentraler Punkt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Kulturarbeit ist. Neuere Ansätze nicht nur <strong>der</strong> Kulturforschung (Maase 1992), son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>der</strong> Kulturarbeit versuchen daher, nicht bloß die entfremdende Natur <strong>der</strong> Kulturwa-