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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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228 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

denjenigen von Piaget, Leontiew o<strong>der</strong> Wygotski wird die Relevanz s<strong>in</strong>nlich gegenständlicher<br />

Tätigkeit als Basis für die Entwicklung (auch höherer) kognitiver Tätigkeiten nachgewiesen.<br />

Begreifen hat etwas mit Greifen zu tun. Der Mensch ist lernfähig, er ist grundsätzlich<br />

lernwillig, ja, Lernen ist geradezu unvermeidbar. So wichtig diese Mitgift <strong>der</strong> Naturgeschichte<br />

des Menschen auch ist: Was bedeutet sie für das <strong>in</strong>stitutionalisierte Lernen, vor<br />

allem für das Lernen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule.<br />

Denn dass Lernen wichtig ist, kann ja nicht e<strong>in</strong> Blankoscheck dafür se<strong>in</strong>, alles mögliche <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Zwangsanstalt Schule zum Lern<strong>in</strong>halt machen zu wollen. Sich auf Lernen e<strong>in</strong>zulassen,<br />

bedeutet also, sich grundsätzlich mit den berühmten W-Fragen zu befassen: Was soll gelernt<br />

werden, wie soll es geschehen, aus welchen Gründen, mit welcher Tiefe, wann und <strong>in</strong><br />

welcher Verteilung <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf den Tag, die Woche, das Jahr, die Lebensetappe, wo und<br />

natürlich auch <strong>–</strong> durch wen? Eigentlich sollten sich e<strong>in</strong>ige dieser Fragen erübrigen. Z.B. die<br />

Frage, durch wen gelernt werden soll. Lernen gehört zu den Tätigkeiten, die man nicht<br />

delegieren kann. Man muss es schon selbst tun. Also wäre es ganz natürlich, dass das Lernsubjekt,<br />

also <strong>der</strong> Schüler, im Mittelpunkt des Lernens steht. Doch bis <strong>in</strong> die heutige Zeit <strong>–</strong><br />

selbst <strong>in</strong> Reformkonzepten, die auch <strong>in</strong> diesem Text positiv rezipiert werden (etwa das Konzept<br />

<strong>der</strong> He<strong>in</strong>rich-Böll-Stiftung), taucht <strong>der</strong> Schüler als Subjekt se<strong>in</strong>es Lernens bestenfalls<br />

am Rande auf. Es ist viel von Organisations- o<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierungsfragen, von Autonomie <strong>der</strong><br />

Schule o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em (neuen) Curriculum die Rede, manchmal wird auch die Schule als „lernende<br />

Organisation“ beschrieben, doch <strong>der</strong> Schüler, <strong>der</strong> die Verantwortung für se<strong>in</strong> Lernen<br />

übernimmt, <strong>der</strong> vielleicht sogar mit entscheidet, wie die oben vorgestellten W-Fragen beantwortet<br />

werden, spielt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulpädagogik e<strong>in</strong>e sehr viel ger<strong>in</strong>gere Rolle, als man erwarten<br />

könnte. Man möge e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>ige gängige Texte zur Schulpädagogik o<strong>der</strong> sogar zur<br />

Allgeme<strong>in</strong>en Didaktik im H<strong>in</strong>blick auf die Schülerperspektive durchsehen. Nun könnte<br />

man sagen, dass mit e<strong>in</strong>em aufwendig entwickelten und vielleicht sogar durch e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Diskussion o<strong>der</strong> entsprechend vorgegebener demokratischer Prozedur legitimierten<br />

Lehrplan und durch e<strong>in</strong> entsprechend gestaltetes und legitimiertes Schulwesen e<strong>in</strong> Höchstmaß<br />

an demokratischem Proze<strong>der</strong>e bereits praktiziert wurde und man zudem das, was e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Jugendlicher lernen sollte, nicht von dessen Tageslaune abhängig machen<br />

könne. Schließlich ist die Schule als pädagogischer Ort mit bestimmten gesellschaftlichen<br />

Funktionen von e<strong>in</strong>em dem Interesse des E<strong>in</strong>zelnen übergeordneten gesellschaftlichen Interesse.<br />

Dem wird man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat kaum wi<strong>der</strong>sprechen können, nur hat man damit e<strong>in</strong>en<br />

zentralen Wi<strong>der</strong>spruch bereits formuliert: Als pädagogische E<strong>in</strong>richtung ist die Schule <strong>–</strong> so<br />

auch oft <strong>in</strong> den Präambeln und/o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangparagraphen von Schulgesetzen o<strong>der</strong> auch<br />

dem KJHG <strong>–</strong> dem Ziel <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong> und <strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung des E<strong>in</strong>zelnen<br />

verpflichtet, so dass zunächst dessen Interesse im Vor<strong>der</strong>grund steht, doch muss die Organisation<br />

als flächendecken<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung nach rechtsstaatlichen Pr<strong>in</strong>zipien, geleitet von<br />

Gleichheit, Gerechtigkeit, E<strong>in</strong>klagbarkeit etc., geschehen, von den oben erwähnten gesellschaftlichen<br />

Funktionen von Schule e<strong>in</strong>mal abgesehen. Verrechtlichung ist dabei durchaus<br />

e<strong>in</strong>e Ver(ge)rechtlichung (B. Schl<strong>in</strong>k), da man somit nicht auf Gnadenakte o<strong>der</strong> Gönnerhaftigkeit<br />

<strong>der</strong> Herrschenden angewiesen ist, son<strong>der</strong>n vielmehr durchsetzbare Rechtsansprüche<br />

hat. E<strong>in</strong>e solche „gleiche“ Schule für alle war daher immer auch Ziel <strong>der</strong> Arbeiterbewegung.<br />

Damit ist aber e<strong>in</strong>e rechtlich-bürokratische Form mit vorgegeben, die zu e<strong>in</strong>er (starken)<br />

Relativierung <strong>der</strong> Mitbestimmungsmöglichkeiten des E<strong>in</strong>zelnen führt. In Deutschland (und<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Industriestaaten) beschreibt dies den Weg, den die Schule genommen hat, auch<br />

wenn gute PISA-Län<strong>der</strong> genau an dieser Stelle von diesem Entwicklungspfad nunmehr

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