28.11.2012 Aufrufe

Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

222 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

die ganze Person verlangt, nichts im Wege steht. Dafür müssen sie jung se<strong>in</strong> und alle<strong>in</strong>,<br />

leistungsfähig und also ihre eigenen Bedürfnisse <strong>in</strong> den entsprechenden Zeiten rationell<br />

organisieren.“ (F. Haug 1998, zitiert nach Barfuss 2002, S. 201). Man bemerke: Kreativität<br />

und Ganzheitlichkeit <strong>–</strong> also Zentralbegriffe <strong>der</strong> Kulturpädagogik <strong>–</strong> s<strong>in</strong>d wesentliche Dispositionen<br />

des postfordistischen Menschen. Sollte es daher se<strong>in</strong>, dass die Kulturpädagogik die<br />

Sozialpädagogik <strong>der</strong> Zukunft ist, weil sie den flexiblen Menschen besser produzieren kann<br />

als die <strong>in</strong>dustriearbeitsorientierte bisherige Sozialpädagogik? Barfuss untersucht „mentalitätspolitisch“<br />

die flankierenden Medienprodukte bei <strong>der</strong> Herstellung des neuen Menschen:<br />

Am Beispiel populärer Filme (Pretty Woman o<strong>der</strong> Ra<strong>in</strong> Man) zeigt er, wie <strong>in</strong> beiden Filmen<br />

am Beispiel zweier gefühlskalter Manager (e<strong>in</strong>mal gespielt von Richard Gere, im an<strong>der</strong>en<br />

Film von Tom Cruise als Bru<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es verhaltensgestörten Spießers) demonstriert wird, wie<br />

<strong>der</strong> homo oeconomicus „sozialverträglich“ gemacht werden kann (ebd., S. 214 f.). Solche<br />

massenkulturellen Produktionen mit hoher Akzeptanz beim Publikum s<strong>in</strong>d notwendig, da<br />

es nicht um s<strong>in</strong>guläre E<strong>in</strong>zeltypen, son<strong>der</strong>n um hochgradig verallgeme<strong>in</strong>erbare Individualitätsformen<br />

e<strong>in</strong>er neuen Konformität geht (so wie Barfuss es für die <strong>in</strong>dustriegesellschaftliche<br />

Phase an <strong>der</strong> Figur des Babitt zeigt):<br />

Was die Wirtschaft braucht und durchsetzt, darauf ist die Politik <strong>in</strong> ihren führenden Repräsentanten<br />

und ihrer medialen Präsentation längst e<strong>in</strong>geschwenkt und dies wird kulturell<br />

durch e<strong>in</strong>e entsprechende Medienproduktion unterstützt. Die Frage bleibt: Wie kann e<strong>in</strong><br />

entsprechend reorganisiertes <strong>Bildung</strong>swesen diese Entwicklung zusätzlich unterstützen?<br />

Offenbar ist <strong>der</strong> Weiterbildungsbereich als erstes und ohneh<strong>in</strong> schon flexibelstes Feld auf<br />

die neuen Kompetenz- und Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>es neuen Habitus im Postfordismus<br />

bereits umgeschwenkt: Es s<strong>in</strong>d strikt funktionale und <strong>in</strong> optimierter Weise vermittelbare<br />

Qualifikationen, die nur noch öffentlich geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Es sche<strong>in</strong>t zudem so, dass die Taylorisierung <strong>der</strong> Hochschule durch den Bologna-Prozess<br />

ebenfalls voranschreitet (wobei hier noch e<strong>in</strong>mal zu überlegen ist, wieso <strong>der</strong> eigentlich zum<br />

Fordismus gehörige Taylorismus ausgerechnet jetzt e<strong>in</strong>geführt wird: notwendige Zeitverzögerung<br />

aufgrund <strong>der</strong> Beharrlichkeit des Hochschulwesens o<strong>der</strong> tiefere Logik, weil im Fordismus<br />

gerade e<strong>in</strong>e noch nicht fordistische Effizienz letztlich funktionaler war?).<br />

Doch was wird nunmehr aus <strong>der</strong> außerschulischen und <strong>der</strong> schulischen Pädagogik?<br />

In H<strong>in</strong>blick auf die Sozialpädagogik (quasi als pädagogische Flanke des jeweils existierenden<br />

Sozialstaatsmodells) wird man abwarten müssen, <strong>in</strong>wieweit die sozialstaalichen Umbaustrategien<br />

dort wirksam werden. Zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendpolitik kamen die ersten Ausläufer<br />

an: Durchsetzung des Neuen Steuerungsmodells, Abbau <strong>in</strong>stitutioneller För<strong>der</strong>ung<br />

zugunsten von Projektför<strong>der</strong>ung, Eventorientierung statt Infrastrukturen etc.<br />

Die Schule steht ebenfalls vor e<strong>in</strong>er grundlegenden Reform. Zum<strong>in</strong>dest hat über PISA die<br />

Wirtschaftorganisation OECD die Me<strong>in</strong>ungsführerschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>spolitik übernommen.<br />

Dies wird oft genug übersehen. Der Kult des quantitativ Messbaren und Vorstellungen<br />

von Optimierung pädagogischer Prozesse, h<strong>in</strong>ter denen e<strong>in</strong>e betriebswirtschaftliche<br />

Rationalität steht, haben längst E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Pädagogik gehalten. Dabei hat diese Entwicklung<br />

durchaus auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em pädagogischen S<strong>in</strong>n Vorteile (Böttcher 2002): Denn<br />

Verschwendung von Ressourcen zerstört oft genug die Arbeitsmotivation von Lehrern und<br />

Schülern. Es sche<strong>in</strong>t auch so zu se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e nicht-technokratisch organisierte Schule<br />

(Beispiel: Helene-Lange-Schule) auch an den eher technokratisch orientierten Effizienzkriterien<br />

von PISA gut bestehen kann. Vielleicht ist das Feld des Pädagogischen von se<strong>in</strong>er<br />

Natur her so wi<strong>der</strong>ständig, dass es auch durch e<strong>in</strong>e falsche <strong>Bildung</strong>spolitik nicht zerstört

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!