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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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322 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

Claudia Schwalfenberg<br />

BAUKULTUR IN DER BILDUNGSREFORMDISKUSSION<br />

Schularchitektur<br />

„Die Schule selbst soll e<strong>in</strong>e liebliche Stätte se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>nen und außen e<strong>in</strong>e Augenweide […] Bei<br />

solcher E<strong>in</strong>richtung werden sie [die K<strong>in</strong><strong>der</strong>] wohl nicht m<strong>in</strong><strong>der</strong> gern <strong>in</strong> die Schule kommen als<br />

sonst gewöhnlich auf Wochenmärkte, wo sie immer etwas Neues zu sehen und zu hören bekommen.“,<br />

so <strong>der</strong> große Theologe und Pädagoge Jan Amos Comenius, Zeitgenosse von René<br />

Descartes und Pionier <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Erziehung, vor knapp 400 Jahren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „Großen<br />

Didaktik“.<br />

C omenius,<br />

<strong>der</strong> mit „Orbis sensualium pictus“ („Die sichtbare Welt“) 1639 auch das<br />

erste bebil<strong>der</strong>te Unterrichtsbuch für K<strong>in</strong><strong>der</strong> verfasste, trifft mit se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung<br />

noch heute e<strong>in</strong>en zentralen Nerv <strong>der</strong> bildungspolitischen Debatte. Schaulust und Wissensdurst<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> anzusprechen, mith<strong>in</strong> S<strong>in</strong>ne und Verstand, gehört nach wie vor zu den<br />

Grundpr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er ganzheitlichen Pädagogik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aber <strong>der</strong> kulturellen <strong>Bildung</strong>.<br />

Comenius, für den die Schule so <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong> soll wie das Leben selbst, sieht die Architektur<br />

e<strong>in</strong>deutig als Lockmittel. <strong>–</strong> Im Kontext kultureller <strong>Bildung</strong> ist Baukultur nicht nur<br />

als e<strong>in</strong> Inhalt neben an<strong>der</strong>en wichtig, als äußerer Rahmen ist sie auch essentiell für die<br />

Vermittlung von Inhalten überhaupt, mit den Worten des Kulturratsvorsitzenden Max Fuchs:<br />

„Die Schularchitektur ist e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Faktor für die <strong>Bildung</strong>sprozesse.“ An<strong>der</strong>s formuliert:<br />

Wer nicht von Schularchitektur sprechen will, soll auch nicht von kultureller <strong>Bildung</strong><br />

sprechen, geschweige denn von baukultureller.<br />

Die Realität deutscher Schulen spricht dieser Jahrhun<strong>der</strong>te alten Erkenntnis häufig Hohn.<br />

Überholte Grundrisse, heruntergekommene Klassenzimmer und mangelnde Pausenräume<br />

s<strong>in</strong>d lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Seltenheit.<br />

F<strong>in</strong>nland, das seit <strong>der</strong> PISA-Studie viel gepriesene Musterland, zeigt uns auch <strong>in</strong> dieser<br />

H<strong>in</strong>sicht, dass es an<strong>der</strong>s geht. Offene, freundliche, e<strong>in</strong>ladende Schulbauten s<strong>in</strong>d dort eher<br />

die Regel als die Ausnahme. In Deutschland dagegen regiert vielerorts <strong>der</strong> Sparstift. Wo<br />

schon das Geld fehlt, Schulgebäude vernünftig zu unterhalten, wer spricht da noch von <strong>der</strong><br />

baulichen Anpassung alter architektonischer Konzepte an neue pädagogische Anfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Angesichts <strong>der</strong> zweifelhaften räumlichen Qualität vieler deutscher Schulen mag das Anliegen,<br />

baukulturelle Inhalte stärker als bisher im Unterricht zu verankern, paradox ersche<strong>in</strong>en.<br />

So provozierte <strong>der</strong> Schulentwickler Otto Seydel bei e<strong>in</strong>em Symposion <strong>der</strong> Bundesarchitektenkammer<br />

und des Rates für Baukultur im April diesen Jahres mit <strong>der</strong> These: „Bevor<br />

die deutschen Schulen nicht schön s<strong>in</strong>d, möchte ich an<strong>der</strong>e schöne Gebäude gar nicht zum Thema<br />

machen.“ Aber vielleicht funktioniert es auch genau an<strong>der</strong>s herum, weckt die Begegnung<br />

mit Beispielen guter Gestaltung die Sehnsucht, die eigene Umgebung zu verän<strong>der</strong>n,<br />

denn „Man vermisst nur, was man kennt“. Im besten Fall lässt sich sogar beides mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verb<strong>in</strong>den: baukulturelle <strong>Bildung</strong> e<strong>in</strong>erseits, schönere Schulen an<strong>der</strong>erseits. Dazu später<br />

mehr.

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