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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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TAGUNG KULTURELLE BILDUNG 299<br />

Vielmehr tut man gut daran, sich nach e<strong>in</strong>er ergänzenden Alternative umzusehen; wir Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürger müssen uns auf unsere Kräfte, also die Kräfte <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

bes<strong>in</strong>nen und alles dafür zu tun, um möglichst viele Menschen für Kultur und kulturelle<br />

<strong>Bildung</strong> zu gew<strong>in</strong>nen. Unsere Gesellschaft ist wohlhabend, nicht nur die Großen, son<strong>der</strong>n<br />

auch viele an<strong>der</strong>e Menschen können abgeben. Wir müssen daher an <strong>der</strong> Schaffung e<strong>in</strong>es<br />

gesellschaftlichen Klimas arbeiten, das die Mitgliedschaft <strong>in</strong> kulturellen Organisationen<br />

und die Spende für Kultur zum selbstverständlichen Handeln <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

macht. Es muss eben Pflicht se<strong>in</strong>, ohne dass darum Aufhebens gemacht wird, zum örtlichen<br />

Kirchenmusikvere<strong>in</strong> zu gehören, den Kunstvere<strong>in</strong> ebenso wie e<strong>in</strong> Jugends<strong>in</strong>fonieorchester<br />

zu unterstützen, das nahegelegene Literaturhaus mitzuf<strong>in</strong>anzieren und e<strong>in</strong>e Literaturzeitschrift<br />

zu halten. Würde das beispielsweise je<strong>der</strong> vierte Lehrer, je<strong>der</strong> dritte Arzt, je<strong>der</strong><br />

fünfte Anwalt und Richter tun <strong>–</strong> um die materiellen Grundlagen <strong>der</strong> musischen <strong>Bildung</strong><br />

stünde es besser.<br />

Mit diesem Plädoyer für das Aktivwerden <strong>der</strong> Zivilgesellschaft will ich den Staat ke<strong>in</strong>eswegs<br />

entlasten. Natürlich hat er vielfältige Aufgaben zu erfüllen; sie müssen auch immer wie<strong>der</strong><br />

durch gute Lobbyarbeit e<strong>in</strong>geklagt werden, da muss mehr als bisher getan werden. Aber<br />

solche Arbeit darf nicht vom Vertrauen <strong>in</strong> den Staat und se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtungen getragen se<strong>in</strong>,<br />

nämlich dass er eigentlich alles richten werde und sollte. Die Grunde<strong>in</strong>stellung muss vielmehr<br />

se<strong>in</strong>: nur die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sache engagierten Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger bieten die Gewähr<br />

dafür, dass musische <strong>Bildung</strong> gedeihen kann. Sie müssen sowohl den Staat h<strong>in</strong>reichend<br />

unter Druck setzen wie auch selber starke Träger musischer <strong>Bildung</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e Patentrezepte zur Besserung <strong>der</strong> Lage. Man kann alle<strong>in</strong> unterschiedliche Vorschläge<br />

<strong>in</strong>s Gespräch br<strong>in</strong>gen und auffor<strong>der</strong>n, viele Wege zu gehen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung, dass<br />

e<strong>in</strong>ige Wege zu e<strong>in</strong>em relativen Erfolg führen. Damit <strong>der</strong> Staat auch <strong>in</strong> schwierigen Zeiten<br />

e<strong>in</strong> ‚Kulturstaat’ bleibt, müssen die engagierten Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ihre staatlichen<br />

Repräsentanten e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den <strong>–</strong> durch kluge und weitsichtige Lobbyarbeit. Politiker müssen<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> kulturellen Vere<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>, sie müssen für beson<strong>der</strong>e Veranstaltungen als Sprecher<br />

gewonnen werden. Ihr Umfeld <strong>–</strong> die vielfältigen Interessenvere<strong>in</strong>e <strong>–</strong> muss <strong>in</strong> solche<br />

Vernetzung e<strong>in</strong>bezogen werden. Ziel ist es, auf vielfältige Weise enge Kontakte zwischen<br />

Politik und Kultur zu schaffen, und zwar <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den kle<strong>in</strong>en alltäglichen Ereignissen:<br />

etwa <strong>der</strong> Kunstausstellung e<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>stadt, dem Auftritt des Schulorchesters, <strong>der</strong> Stiftung<br />

e<strong>in</strong>es Stipendiums für e<strong>in</strong>e junge Künstler<strong>in</strong>.<br />

Ich habe bewusst diese Bemerkungen zum gesellschaftlichen Klima me<strong>in</strong>em Thema im<br />

engeren S<strong>in</strong>ne vorangestellt, denn was Schule tut, ist immer <strong>in</strong> dieses Klima e<strong>in</strong>gebunden.<br />

Wird Kultur vernachlässigt, so hat es die Schule schwer, sich diesem Trend zu entziehen<br />

o<strong>der</strong> gar dagegen aufzubegehren. Letzteres setzt Kraft und beson<strong>der</strong>e Persönlichkeiten voraus.<br />

Genießt Kultur allgeme<strong>in</strong> hohe Wertschätzung, dann wird die Schule sich dem anschließen<br />

o<strong>der</strong> sogar vorangehen können.<br />

III Die Schule ist für Sie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes, wenn auch schwieriges Feld<br />

Ihr Auftrag an mich fragt nach dem Bezug zwischen kultureller <strong>Bildung</strong> und Schule: Sie<br />

fragen danach, nicht weil Triumphe zu feiern wären, son<strong>der</strong>n weil Sie Sorgen haben. Die<br />

alternative Titelformulierung ist re<strong>in</strong>e Rhetorik. Natürlich ist kulturelle <strong>Bildung</strong> heute Stiefk<strong>in</strong>d<br />

<strong>der</strong> Schulreform, und: das ist e<strong>in</strong> gravieren<strong>der</strong> Tatbestand, weil wir uns mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er

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