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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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196 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

Schule, so wie wir sie <strong>in</strong> Deutschland kennen und wie sie <strong>–</strong> etwa <strong>in</strong> Blick auf die Nie<strong>der</strong>lande<br />

o<strong>der</strong> skand<strong>in</strong>avische Län<strong>der</strong> <strong>–</strong> verän<strong>der</strong>t werden soll, ist fest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand des Staates<br />

und unterliegt daher strikt dem (bisherigen) Modell staatlicher Steuerung, also e<strong>in</strong>er Steuerung<br />

gemäß bürokratischer Rationalität mit den Medien des Rechts, <strong>der</strong> Verordnungen<br />

und Erlasse. Diese Form von Staatlichkeit ist zwar für viele e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> des Anstoßes, doch<br />

kann man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte des Schulwesens <strong>–</strong> vor allem im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>–</strong> sehen,<br />

dass se<strong>in</strong>erzeit die Durchsetzung <strong>der</strong> Staatlichkeit des Schulwesens e<strong>in</strong> erheblicher Fortschritt<br />

war, da man die kirchlich-religiöse Schulkontrolle dadurch hat verdrängen können.<br />

An die Stelle e<strong>in</strong>er kirchlichen Schulaufsicht rückten KollegInnen aus <strong>der</strong> Schule,<br />

die nunmehr e<strong>in</strong>e fachliche Schulaufsicht praktizierten <strong>–</strong> freilich immer gebrochen durch<br />

die jeweiligen Aufgaben, die <strong>der</strong> Staat def<strong>in</strong>ierte. Die große Rolle des Staates <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />

Geschichte, die Tatsache, dass „Öffentlichkeit“ und „Gesellschaft“ <strong>in</strong> Deutschland<br />

recht schnell zu „Staat“ werden, ist sicherlich auch e<strong>in</strong>e Hegelsche Erbschaft, für den <strong>der</strong><br />

„Staat“ die Vollendung im Entwicklungsprozess <strong>der</strong> Geschichte war und als e<strong>in</strong>ziger legitim<br />

e<strong>in</strong> „Allgeme<strong>in</strong>es“ repräsentierte, dem sich die heterogenen und störenden Individual<strong>in</strong>teressen<br />

unterzuordnen hatten.<br />

Viele Reformprozesse <strong>–</strong> auch die große preußische Verwaltungsreform am Anfang des<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>–</strong> geschahen als Reform von oben, e<strong>in</strong>e Tradition, die tief <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mentalität<br />

<strong>der</strong> Deutschen bis heute verankert ist. Dies entspricht ihrer Erwartungshaltung gegenüber<br />

„dem Staat“, die auch die Intensität und Richtung des eigenen politischen Engagements<br />

prägt, dass nämlich <strong>der</strong> Staat die Lösung von Problemen übernimmt und nicht<br />

Initiativen, die aus <strong>der</strong> Gesellschaft kommen. Die Staatlichkeit <strong>der</strong> Schule war bereits seit<br />

ihrer E<strong>in</strong>führung für viele e<strong>in</strong> Ärgernis, zum e<strong>in</strong>en aufgrund e<strong>in</strong>es Bedauerns wegen <strong>der</strong><br />

damit festgelegten Säkularisierung des <strong>Bildung</strong>ssektors, zum an<strong>der</strong>en aber auch wegen<br />

<strong>der</strong> damit verbundenen Art <strong>der</strong> Steuerung.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs muss man sehen, dass man mit <strong>der</strong> Staatlichkeit des <strong>Bildung</strong>swesens auch das<br />

Problem hat lösen wollen, dass man zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e gewisse E<strong>in</strong>heitlichkeit (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerausbildung,<br />

<strong>in</strong> den Abschlüssen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergleichbarkeit) hat erreichen wollen, dass zum<br />

an<strong>der</strong>en damit auch gewisse Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstattung und Versorgung haben formuliert<br />

und e<strong>in</strong>gehalten werden können. Allerd<strong>in</strong>gs zeigt sich auch hieran die grundsätzliche<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit von <strong>Bildung</strong>/Erziehung. In <strong>der</strong> Schule multipliziert sich e<strong>in</strong>e immer<br />

schon vorhandene immanente und damit strukturell nicht aufzuhebende Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit:<br />

Es ist nämlich zum e<strong>in</strong>en die Tatsache festzustellen, dass sich die oben angeführten<br />

gesellschaftlichen Funktionen von Schule nicht von selbst harmonisch und wi<strong>der</strong>spruchsfrei<br />

zu e<strong>in</strong>em Ganzen fügen, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>Bildung</strong> und erst recht die Schule im Zentrum<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlichster Erwartungen und Funktionen steht, was immer nur zu e<strong>in</strong>em<br />

zeitlich befristeten mühsamen Kompromiss im Verständnis von Schule führt. Die Diskussion<br />

über Schule ist daher aufgrund ihrer strukturellen Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit auf Dauer gestellt.<br />

Zum an<strong>der</strong>en wird <strong>in</strong> je<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionalisierten Form von <strong>Bildung</strong> und Erziehung<br />

<strong>der</strong> grundsätzliche Wi<strong>der</strong>spruch zwischen <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong> Person <strong>–</strong> immerh<strong>in</strong> das zentrale<br />

Versprechen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne <strong>–</strong> und gesellschaftlicher Funktionalität deutlich. Mag man<br />

sich noch so sehr um harmonisierende Formeln bemühen, wie sie etwa Ernst Cassirer <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Anthropologie formuliert hat (Ordnung als Grundlage von Freiheit und Selbstbestimmung),<br />

so bleibt immer e<strong>in</strong> Diskussionsanlass, ob die jeweilige konkret-historische<br />

Ordnungsform nicht doch eher auf Unterdrückung als auf e<strong>in</strong>e transzendentale Bed<strong>in</strong>gung<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit von Freiheit h<strong>in</strong>ausläuft.

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