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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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220 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

ren zu sehen, son<strong>der</strong>n diese (subversiv) als vielseitig bedeutungsvoll aufgeladene o<strong>der</strong> aufladbare<br />

Medien für die eigenen (emanzipatorischen) Zwecke e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Interessant ist, dass W<strong>in</strong>kler die Idee e<strong>in</strong>es pädagogischen Vertrages zwischen Erzieher und<br />

Zögl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>führt (333 ff.), durchaus kompatibel mit den Überlegungen zum Vertragsdenken<br />

<strong>in</strong> diesem Text. Damit ist <strong>–</strong> bei aller Verschiedenheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> je fachspezifischen Herangehensweise<br />

an die „Erziehungstatsache“ <strong>–</strong> e<strong>in</strong>e pädagogische Geme<strong>in</strong>samkeit formuliert:<br />

· Grundproblem und ständige Herausfor<strong>der</strong>ung ist die Gew<strong>in</strong>nung von „Subjektivität“, als<br />

Versprechen, aber auch als Möglichkeit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, dem aber diese viele H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />

und Fallstricke entgegenstellt.<br />

· „Subjektivität“ als <strong>Bildung</strong>s- und Erziehungsziel kann mit Begriffen wie Menschenwürde,<br />

erweiterter Handlungsfähigkeit, Autonomie etc. umschrieben werden. Grundlage ist stets<br />

die <strong>–</strong> historisch konkrete <strong>–</strong> Ausgestaltung von <strong>–</strong> anthropologisch zu belegen<strong>der</strong> <strong>–</strong> Reflexivität<br />

menschlichen Lebens: <strong>Bildung</strong> ist die Herstellung e<strong>in</strong>es bewussten Verhältnisses des<br />

Menschen zu sich, se<strong>in</strong>er sozialen, kulturellen und natürlichen Umgebung, zu Vergangenheit<br />

und Zukunft. „<strong>Bildung</strong>“ ist also „menschgemäßes“ Leben.<br />

· Gerade Pädagogik kann und muss bei <strong>der</strong> Entwicklung von Subjektivität helfen, hat aber<br />

ständig zu beachten, dass pädagogische Verhältnisse immer auch unsymmetrisch, gelegentlich<br />

sogar Gewaltverhältnisse s<strong>in</strong>d, und daher zum Abbau <strong>der</strong> Unsymmetrien führen<br />

müssen. Ziel <strong>der</strong> Pädagogik ist es, sich überflüssig zu machen. Damit ist Pädagogik vom<br />

Grundsatz her zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> (sich selbst aufhebendes) Gewaltverhältnis.<br />

· Wer Pädagogik <strong>–</strong> als Arbeit am Subjekt <strong>–</strong> betreiben will, muss die strukturelle Wi<strong>der</strong>ständigkeit<br />

<strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft notwendig <strong>in</strong> Rechnung stellen. Der Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zwischen <strong>Bildung</strong> und Herrschaft ist konstitutiv. „Bürgerliche Gesellschaft“ heißt dabei heute:<br />

(digitaler) Kapitalismus unter <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Globalisierung, heißt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e: Neoliberalismus<br />

als umfassendes Programm <strong>der</strong> Herstellung e<strong>in</strong>er Kernform des Menschentyps.<br />

· Mit dem Umgang mit Künsten und ästhetischen Prozessen lädt man sich e<strong>in</strong> zweites<br />

Autonomieversprechen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auf: Denn auch Künste s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bürgerlichen<br />

Selbstverständnis „autonom“ <strong>–</strong> und waren gleichzeitig noch nie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte so dem<br />

fremdbestimmenden Marktdiktat unterworfen wie heute. Dieser Wi<strong>der</strong>spruch markiert<br />

für die Kulturpädagogik <strong>in</strong> Theorie und Praxis e<strong>in</strong>e erhebliche Denkanstrengung.<br />

Das Subjekt im Wandel<br />

Seit <strong>der</strong> „Entdeckung“ o<strong>der</strong> gar „Erf<strong>in</strong>dung“ des Individuums <strong>in</strong> <strong>der</strong> Renaissance steht<br />

nicht nur <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne im Mittelpunkt des Interesses zahlreicher Wissenschaften, es s<strong>in</strong>d zu<br />

se<strong>in</strong>er Überwachung, Untersuchung, Interpretation und Manipulation zahlreiche neue<br />

Wissenschaften entwickelt worden. Neben dem Blick auf Macht und Diszipl<strong>in</strong>ierung, wie<br />

ihn jeweils Elias und Foucault auf recht unterschiedliche Weise <strong>in</strong> ihren historischen Studien<br />

am Beispiel von Pädagogik, Mediz<strong>in</strong>, Gefängnis und Alltagsleben aufgezeigt haben, ist<br />

dieser verstärkte Blick auf sich selbst allerd<strong>in</strong>gs auch e<strong>in</strong> Beleg für die anthropologische<br />

These vom Bedarf des Menschen an Selbstdeutung. Wie Abb. 8 (S. 177) zeigt, gab es für<br />

e<strong>in</strong>e solche Neugierde, was mit dem E<strong>in</strong>zelnen geschieht, auch h<strong>in</strong>reichend Anlässe. Denn<br />

<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Epoche war <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zwischen (Freiheits-)Versprechungen und<br />

<strong>der</strong> Realität so groß. Vom Menschen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wird daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em erheblichen Ausmaß<br />

die Fähigkeit verlangt, mit Wi<strong>der</strong>sprüchen umzugehen.

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