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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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KULTURPÄDAGOGIK UND SCHULE 217<br />

Schülern und Nachfolgern, vor allem Spranger und Nohl, liegen gleich zwei mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

konkurrierende <strong>Konzeption</strong>en e<strong>in</strong>er Kulturorientierung <strong>der</strong> Pädagogik vor. Zugleich muss<br />

man die Schriften von Nietzsche und Spengler, später von Freud <strong>in</strong> Betracht ziehen. Dolch<br />

spricht von Kulturpädagogik als „nicht sehr glücklicher Bezeichnung für e<strong>in</strong> pädagogisches<br />

Denken aus <strong>der</strong> Sicht e<strong>in</strong>er als objektiv verstandenen Kultur“ (nach Helmer, a.a.O., S.<br />

540). Es geht zum e<strong>in</strong>en um e<strong>in</strong> System <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>halte, es geht jedoch auch um e<strong>in</strong>e<br />

Werteorientierung und durchaus auch um e<strong>in</strong>e Nationalerziehung, die E<strong>in</strong>wirkung auf<br />

den „objektiven Geist des Volkes“ (Nohl; ebd. S. 542), wobei sich <strong>der</strong> „Kulturwille“ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Jugendbewegung, aber auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en sozialen und nationalen Bewegungen zeigt.<br />

2. Kulturphilosophie als Teil <strong>der</strong> Philosophie erfährt <strong>–</strong> wie kulturbezogene Diskurse <strong>in</strong><br />

nahezu allen an<strong>der</strong>en Diszipl<strong>in</strong>en <strong>–</strong> seit e<strong>in</strong>igen Jahren e<strong>in</strong>e gewisse Konjunktur (siehe<br />

die Textzusammenstellungen und Überblicke <strong>in</strong> Brackert/Wefelmeier o<strong>der</strong> von Eagleton;<br />

Literturh<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> Abb. 5). Insbeson<strong>der</strong>e hat die Postmo<strong>der</strong>ne zu dieser Konjunktur<br />

beigetragen.<br />

Wer sich die Themen im aktuellen dreibändigen „Handbuch <strong>der</strong> Kulturwissenschaften“<br />

(Jaeger/Liebsch 2004, Jaeger/Straub 2004, Jaeger/Rüsen 2004) anschaut und mit den<br />

Diskursen des Praxisfeldes Kulturpädagogik vergleicht, wird vielleicht Helmer nicht wi<strong>der</strong>sprechen<br />

wollen, dass die spezifische Kulturphilosophie, die er offenbar im Auge hat, nicht<br />

<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichendem Maß rezipiert wird. Doch f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e aktuelle Diskussion von „Kultur“<br />

heute nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kulturphilosophie, son<strong>der</strong>n vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> (Kultur-)Soziologie<br />

und den Kulturwissenschaften statt. Und <strong>der</strong>en Themen werden von <strong>der</strong> heutigen Kulturpädagogik<br />

durchaus aufgegriffen: Von den Grundlagen und Schlüsselbegriffen (Sprache,<br />

Identität, Erfahrung; Band 1) über Paradigmen und Diszipl<strong>in</strong>en (Bd. 2) bis zu den Themen<br />

und Tendenzen (Religion, Fremdheit, Wirtschaft, Gesellschaftstheorien). Kulturpädagogik<br />

heute wird sich also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat im Kontext aktueller S<strong>in</strong>ndeutungsprobleme und<br />

Krisen vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es dynamischen und <strong>in</strong>terkulturellen Kulturkonzeptes<br />

def<strong>in</strong>ieren müssen, wobei zwei Aspekte möglicherweise e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rolle spielen: die<br />

Künste und das Subjekt unter <strong>der</strong> Perspektive e<strong>in</strong>es pädagogischen Zugriffs.<br />

3. Im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Pädagogik wird man die Mängelliste von Merkens (<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Arbeitsbericht des Vorstandes <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft; Erziehungswissenschaft,<br />

H. 29, 2004, S. 11 ff.) auch für die Kulturpädagogik überprüfen<br />

müssen. Der Katalog ist stattlich: Mängel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorienbildung pädagogischer Institutionen,<br />

an „e<strong>in</strong>heimischen Begriffen“, an e<strong>in</strong>er Rezeption von Erkenntnissen benachbarter<br />

Diszipl<strong>in</strong>en, an empirischer Forschung; e<strong>in</strong>e Reduktion auf bloße <strong>Bildung</strong>sforschung, e<strong>in</strong>e<br />

mangelnde Berücksichtigung des Lernens außerhalb <strong>der</strong> Institutionen.<br />

E<strong>in</strong>e Übersicht über Krisen, auf die die Pädagogik reagieren müsste, könnte aussehen wie<br />

folgt (Abb. 26 siehe Seite 218). Diese Übersicht verliert allerd<strong>in</strong>gs ihre Dramatik, wenn<br />

man sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er historischen Perspektive als Konkretisierung und Aktualisierung von im<br />

Grundsatz auch immer mit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne verbundenen Ant<strong>in</strong>omien o<strong>der</strong> Spannungen<br />

auffasst (vgl. Kap. 3).<br />

4. Im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en pädagogischen Gebrauch <strong>der</strong> Künste ist die fast hoffnungslose<br />

Überlagerung <strong>der</strong> Reflexion <strong>der</strong> Künste mit hochideologischen und weltanschaulichen<br />

Deutungen e<strong>in</strong> Problem. Dabei ist es immer wie<strong>der</strong> die Formel von <strong>der</strong> „Autonomie <strong>der</strong><br />

Künste“, die als Erkenntnisbremse fungiert (vgl. me<strong>in</strong>e Texte „Kunst und Ästhetik <strong>–</strong><br />

Neuere Entwicklungen, 2003; Ethik und Kulturarbeit, 2003; Wozu Kunst, 2002). E<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>e Rolle spielt auch hierbei das Subjekt.

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