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Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption ...

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292 KULTURELLE BILDUNG UND BILDUNGSREFORM<br />

nächsten Zeit darauf ankommen, den <strong>Bildung</strong>sauftrag <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendarbeit sehr<br />

praktisch e<strong>in</strong>zulösen; auch wenn dazu kaum Zeit bleibt, weil diese <strong>–</strong> oft gegen ihren Willen<br />

<strong>–</strong> <strong>in</strong> die Ganztagsschulen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> geschoben wird und sich hier überlegen kann (sofern dazu<br />

noch Zeit ist) welche Rolle sie hier spielen will: <strong>Bildung</strong>spartner o<strong>der</strong> Pausenclown.<br />

Die großen <strong>Bildung</strong>spostulate und -maximen (z. B. „<strong>Bildung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissensgesellschaft“)<br />

können bei Kooperationen mit Schule hilfreich se<strong>in</strong>. Aber was zurzeit ansteht, ist härtester<br />

Pragmatismus auf <strong>der</strong> lokalen Ebene. Dass <strong>Bildung</strong> mehr ist als Schule und mehr als PISA,<br />

diese Befunde machen zwar <strong>in</strong> Fachkreisen die Runde, aber gegen den aktuellen Ma<strong>in</strong>stream<br />

kommt man damit kaum an. Dass es überhaupt so etwas gibt wie außerschulische<br />

<strong>Bildung</strong>, und dass diese ca. 70% des lebensbewältigungsrelevanten Lernens ausmacht 6 , das<br />

alles wurde erst im Gefolge <strong>der</strong> PISA-Debatten deutlich heraus gearbeitet <strong>–</strong> aber bislang<br />

allzu oft ignoriert. Am deutlichsten wird dies, wenn man sich das Herzstück <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

<strong>Bildung</strong>sdebatte ansieht: das s<strong>in</strong>d die Ganztagsschulen, die nur <strong>in</strong> Kooperation mit<br />

außerschulischen Kooperationspartnern überhaupt S<strong>in</strong>n machen.<br />

Wo bislang die Schule als unumschränkt dom<strong>in</strong>ierende <strong>Bildung</strong>s<strong>in</strong>stanz galt, s<strong>in</strong>d wir <strong>der</strong>zeit<br />

Zeugen e<strong>in</strong>er beg<strong>in</strong>nenden Restrukturierung; die Karten werden neu gemischt und die<br />

E<strong>in</strong>führung neuer Spielregeln geschieht ungleichzeitig, das heißt: die erziehungswissenschaftlichen,<br />

die pädagogischen, die rechtlichen, politischen und organisatorisch-adm<strong>in</strong>istrativen<br />

Elemente dieser Bewegung verlaufen (noch) nicht gleichzeitig.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist e<strong>in</strong>e unabweisbare Verschiebung <strong>in</strong> den bisherigen Wahrnehmungen<br />

und Bewertungen diejenige von formalem zu <strong>in</strong>formalem bzw. nicht-formalem Lernen.<br />

Es wird immer deutlicher, dass Schule zwar e<strong>in</strong> wichtiger, aber nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige und<br />

schon gar nicht <strong>der</strong> am nachhaltigsten wirkende Faktor im Leben von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

ist. Schulleistungen s<strong>in</strong>d daher viel stärker extern als <strong>in</strong>tern bed<strong>in</strong>gt; denn das<br />

soziale Milieu und die damit verbundene <strong>Bildung</strong>snähe s<strong>in</strong>d die zentralen E<strong>in</strong>flussgrößen.<br />

E<strong>in</strong> zweite Transformation ist die Akzent-Verschiebung von „Erziehung“ zu „<strong>Bildung</strong>“.<br />

Erziehung ist immer e<strong>in</strong>e „Funktion <strong>der</strong> Gesellschaft“ (Mollenhauer), und sie beruht auf<br />

dem E<strong>in</strong>üben und dem Nachvollzug von Normen und Regeln, die als zweckhaft und notwendig<br />

anerkannt s<strong>in</strong>d. Hier werden pädagogische Absichten e<strong>in</strong>geführt, die vor jedem<br />

Lernen feststehen und <strong>der</strong>en Erreichen kontrolliert, ggf. auch sanktioniert wird. Wo aber<br />

die „Gelän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lebensführung“ (W. Schefold) wegbrechen <strong>–</strong> und genau dies erleben wir<br />

heute <strong>–</strong> werden auch die Regeln hierfür tendenziell disfunktional. Denn heute kann Erziehung<br />

alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Sicherheit mehr bieten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft, welche vor allem e<strong>in</strong>s erzeugt:<br />

e<strong>in</strong> ungeheures Unsicherheitspotenzial.<br />

Den hieraus resultierenden Anfor<strong>der</strong>ungen wäre allenfalls noch mit e<strong>in</strong>er <strong>Bildung</strong> beizukommen,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, Probleme zu stellen, die auch die Selbsttätigkeit heraus for<strong>der</strong>n.<br />

Erziehung ist defensives Lernen; <strong>Bildung</strong> aber ist offensives Lernen. Als Selbstbildung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen Prozess wäre sie <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne eher als e<strong>in</strong> Reservoir von Möglichkeiten<br />

und Potenzialen zu verstehen, und nicht als Kanon e<strong>in</strong> für allemal festgelegter Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten o<strong>der</strong> Kompetenzen.<br />

6 Dohmen, H.-G. (2001): Das <strong>in</strong>formelle Lernen. Die <strong>in</strong>ternationale Erschließung e<strong>in</strong>er bisher vernachlässigten<br />

Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Hrsg. vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />

<strong>Bildung</strong> und Forschung. Bonn.

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