Festung Europa
Festung Europa
Festung Europa
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
pranational. Nachdem das Bundesverfassungsgericht<br />
in der Maastrichtentscheidung (E 89, 155) ausgeführt<br />
hatte, dass dem Deutschen Bundestag wesentliche<br />
Bereiche zur Entscheidung verbleiben<br />
müssen, werden seine Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
in vielen klassischen staatlichen Sektoren<br />
abnehmen. Justiz, Polizei, Verteidigung und<br />
auswärtiges Handeln gehören zu den Kernbereichen<br />
der Staatlichkeit. Selbst wenn Bundestag und Bundesrat<br />
dem Verfassungsvertrag mit verfassungsändernder<br />
Mehrheit (Art. 23 GG) zustimmen, könnte<br />
der Verfassungsvertrag die Integrationsgrenzen des<br />
Art. 79 Abs. 3 GG verletzen. Denn diese Norm sichertdieGrundsätzedesArtikels1und20GG.Wenn<br />
aber in einem Übertragungsakt maßgebliche Entscheidungs-<br />
und Gestaltungsmöglichkeiten des<br />
Bundestages neben der bereits weit reichenden Entäußerung<br />
von Entscheidungen im Bereich des bisherigen<br />
Gemeinschaftsrechts auf die Union übertragen<br />
werden und Bundestag und Bundesrat wegen des<br />
Vorrangs des Unionsrechts Gefahr laufen, in Zukunft<br />
allenfalls Umsetzungsautomaten zu sein, steht<br />
zu befürchten, dass das Demokratieprinzip und damit<br />
auch die deutsche Staatlichkeit in einem Maße<br />
ausgehöhlt werden, das die Identität der Verfassung<br />
unddesStaatesauflöst. St. U. P.<br />
Literatur:<br />
Bleckmann, A.: Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre.<br />
Köln u.a. 1995<br />
Bogdandy, A. v.: Europäisches Verfassungsrecht. Heidelberg<br />
u.a. 2003<br />
Häberle, P.: Europäische Verfassungslehre.<br />
Baden-Baden 2005 3<br />
Lenz, C. O./Borchardt, K.-D.: Vertrag über eine Verfassung für<br />
<strong>Europa</strong>. Bundesanzeiger Nr. 218a v. 17. 11. 2004<br />
Pernice, I.: Europäische Justizpolitik in der Perspektive der<br />
Verfassung für <strong>Europa</strong>. WHI-paper 03/05, 2005<br />
Ders.: Die dritte Gewalt im Europäischen Verfassungsverbund.<br />
<strong>Europa</strong>recht 1996, 27 ff.<br />
Reinhard, W.: Geschichte der Staatsgewalt. München 1999<br />
Hoher Vertreter für die GASP (HR)<br />
1. Rechtsgrundlage: Mit dem �Vertrag von Amsterdam<br />
(1997) im Rahmen der �GASP geschaffenes<br />
Amt, das in „Personalunion“ vom Generalsekretär<br />
des Rats wahrgenommen wird (Art. 18 Abs. 3 EUV,<br />
Art. 26 EUV, Art. 207 Abs. 2 EGV). Der Hohe Vertreter<br />
für die GASP, der auch Hoher Repräsentant genannt<br />
wird (HR), ist zugleich „Diener“ und „Leitbild“<br />
für eine vollständige Integration der Außenund<br />
Sicherheitspolitik <strong>Europa</strong>s. Er soll mit Blick auf<br />
Hoher Vertreter für die GASP<br />
den halbjährlich rotierenden Vorsitz für mehr Kontinuität<br />
und Sichtbarkeit in der �GASP sorgen.<br />
2. Aufgaben: Der HR hat die Aufgabe, den Vorsitz<br />
sowie den Rat zu unterstützen, indem er insbes. zur<br />
Formulierung, Vorbereitung und Durchführung politischer<br />
Entscheidungen beiträgt. Im System der rotierenden<br />
Präsidentschaft stellt der HR mit seiner<br />
fünfjährigen Amtszeit den Faktor der Kontinuität<br />
dar. Der HR ist Teil der �Troika, kann aber auf Ersuchen<br />
des Vorsitzes auch allein im Namen des Rats<br />
den Politischen Dialog mit anderen Staaten führen.<br />
Auf gleiche Weise kann er den Vorsitz gegenüber<br />
den GASP-relevanten �Ausschüssen des Europäischen<br />
Parlaments vertreten.<br />
Mit dem kontinuierlichen Auf- und Ausbau der<br />
GASP, insbes. im Bereich der �ESVP, aber auch<br />
durch die konstruktive Rolle, die der gegenwärtige<br />
Amtsinhaber Javier Solana u. a. bei der Stabilisierung<br />
des Balkans (Kosovo, Serbien und Montenegro)<br />
aber auch im Nahost-Friedensprozess sowie bei<br />
den Vermittlungsbemühungen der EU im Zusammenhang<br />
mit den Präsidentschaftswahlen in der<br />
Ukraine 2004 gespielt hat, sind das Ansehen und der<br />
Handlungsspielraum des HR in den vergangenen<br />
Jahren kontinuierlich gewachsen.<br />
Zur Stärkung der Position des HR tragen nicht unwesentlich<br />
die �Sonderbeauftragten der EU sowie die<br />
SondergesandtenundpersönlichenBeauftragtendes<br />
HR bei (Sondergesandte gibt es derzeit für den Kosovo<br />
und den Irak, persönliche Beauftragte für Menschenrechte,<br />
den internationalen Terrorismus und<br />
den Kampf gegen Massenvernichtungswaffen). Immer<br />
häufiger lässt sich beobachten, dass der HR, mit<br />
Billigung der jeweiligen Präsidentschaft, in der<br />
GASP einschl. der ESVP aktiv die Initiative ergreift<br />
und damit entscheidend zur Vorstrukturierung einer<br />
Entscheidung beiträgt. Da passt ins Bild, dass der<br />
HR, insbes. in Krisensituationen, immer häufiger anstelle<br />
oder zumindest deutlich abgesetzt von der<br />
Troika auftritt. Dies mag insbes. mit Blick auf die<br />
Rolle der Kommission in der GASP vertragsrechtlich<br />
bedenklich sein. Der Effektivität der GASP und<br />
ihrer Wahrnehmung innerhalb der Internationalen<br />
Gemeinschaft dient ein einziges „Sprachrohr“ mehr,<br />
als der vielseits kritisierte „Dreiklang“ der sog.<br />
„klassischen“ Troika. Der HR lässt die Funktion des<br />
Generalsekretärs (GS) des Rats, an die das Amt des<br />
HR aus Sorge vor einer allzu großen Selbständigkeit<br />
auch weiterhin de iure angebunden bleibt, de facto in<br />
435