Festung Europa
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Geldpolitik<br />
vorhergesehene Liquiditätsengpässe im Bankensystem<br />
beseitigen.<br />
Das Mindestreservesystem ist weniger marktkonform<br />
als die Offenmarktgeschäfte. Gleichwohl ist es<br />
notwendig, denn es trägt erheblich zur Effektivität<br />
der Geldpolitik bei – vor allem dadurch, dass damit<br />
ein hinreichend großer und nachhaltiger Bedarf an<br />
Zentralbankgeld geschaffen und die Geldschöpfung<br />
der Geschäftsbanken unter Kontrolle gehalten werden<br />
kann.<br />
5. Strategie – Darstellung: Ebenso wenig wie andere<br />
Zentralbanken kann das Eurosystem direkt auf sein<br />
Endziel, die Inflationsrate, einwirken. Zwischen<br />
dem Einsatz seiner Instrumente und der Inflationsentwicklung<br />
liegt ein langwieriger und komplexer<br />
Transmissionsprozess, während dessen sich geldpolitische<br />
Maßnahmen über den Geschäftsbankensektor<br />
und die Finanzmärkte allmählich auf die gesamte<br />
Wirtschaft und das Preisniveau auswirken. Daher<br />
benötigt jede Zentralbank ein von ihr kontrollierbares<br />
Zwischenziel, das in einem engen Zusammenhang<br />
zum Endziel steht, sowie einen Indikator, der<br />
schnell und präzise den Einfluss geldpolitischer<br />
Maßnahmen misst.<br />
Die Strategie der EZB besteht aus einer Konkretisierung<br />
des Ziels der Preisstabilität und aus zwei sog.<br />
Säulen. Sowohl die Konkretisierung des Ziels als<br />
auchdiebeidenSäulenwurdenvomEZB-RatimMai<br />
2003 modifiziert. Bis Mai 2003 definierte der<br />
EZB-Rat Preisstabilität als mittelfristigen Anstieg<br />
des �Harmonisierten Verbraucherpreisindex von<br />
unter 2 % gegenüber dem Vorjahr. Im Mai 2003 verkündeteer,dasservonnunanmittelfristigeinePreissteigerungsrate<br />
von unter, aber nahe der 2 %-Marke<br />
anstrebe.<br />
ImRahmenderZwei-Säulen-Strategieanalysiertdie<br />
EZB die Risiken für die Preisstabilität anhand von<br />
zwei unterschiedlichen Sichtweisen hinsichtlich der<br />
Funktionsweise der Wirtschaft. Die beiden Sichtweisen<br />
oder Säulen werden seit Mai 2003 als „wirtschaftliche<br />
Analyse“ und „monetäre Analyse“ bezeichnet.DiewirtschaftlicheAnalysebestehtausder<br />
Untersuchung einer breiten Palette von Konjunkturund<br />
Finanzmarktindikatoren (z. B. Löhne, Rohstoffpreise,<br />
Wechselkurse, Anleihekurse, Branchen- und<br />
Verbraucherumfragen). Damit will sich die EZB ein<br />
umfassendes Bild von der aktuellen Wirtschaftslage<br />
verschaffen und beobachten, welche Faktoren sich<br />
auf kürzere Sicht auf die Preisniveauentwicklung<br />
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auswirken könnten. Untersucht werden vor allem<br />
Schocks (bspw. Ölpreisschocks) und ihre Auswirkungen<br />
auf Konjunktur und Preisniveau.<br />
Im Rahmen der monetären Analyse, die bis Mai 2003<br />
dieersteSäule,seitdemabernurnochdiezweiteSäulebildet,untersuchtdieEZBdiemittel-bislangfristige<br />
Geldmengenentwicklung, vor allem die Entwicklung<br />
der weit gefassten Geldmenge M3. Damit<br />
möchtesiederTatsacheRechnungtragen,dassGeldmengenwachstum<br />
und Inflation mittel- bis langfristig<br />
in enger Beziehung zueinander stehen. Zur Beurteilung<br />
der Geldmengenentwicklung hat die EZB einen<br />
Referenzwert für die jährliche Wachstumsrate<br />
von M3 abgeleitet, der ihrer Auffassung nach im EinklangmitderGewährleistungvonPreisstabilität(gemäß<br />
ihrer Definition) steht. Seit Beginn der dritten<br />
Stufe der Währungsunion beläuft er sich auf 4½ %.<br />
Die EZB hat stets betont, dass es sich bei ihrem Referenzwert<br />
lediglich um eine Orientierungsgröße zur<br />
Beurteilung der Risiken für die Preisstabilität handele,<br />
nicht um ein Zwischenziel. Im Mai 2003 beschloss<br />
der EZB-Rat, den Referenzwert für M3 nicht<br />
mehr wie bis dahin auf jährlicher Basis zu überprüfen.<br />
6. Strategie – Bewertung: Die Konkretisierung des<br />
Ziels der Preisstabilität im Sinne einer Obergrenze<br />
der jährlichen Inflationsrate von unter, aber nahe 2 %<br />
ist nicht ehrgeizig genug. Zahlreiche empirische Untersuchungen<br />
sind für verschiedene Länder zu dem<br />
Ergebnis gekommen, dass mit einer Inflationsrate<br />
von 2 % bereits hohe Wohlfahrtsverluste verbunden<br />
sind. Nach einer Untersuchung der Bundesbank belaufen<br />
sie sich in Deutschland auf nicht weniger als<br />
1,4%desBruttoinlandsprodukts.Zwarkommtesbei<br />
der Berechnung von Verbraucherpreisindizes aufgrund<br />
von Messfehlern meist zu einer leichten Überzeichnung<br />
des tatsächlichen Preisniveauanstiegs;<br />
beim Harmonisierten Verbraucherpreisindex sind<br />
diese Messfehler jedoch äußerst gering.<br />
Bezüglich der monetären Analyse ist positiv festzustellen,<br />
dass die Berücksichtigung des Geldmengenwachstums<br />
aus ökonomischer Sicht unerlässlich ist,<br />
denn Inflation ist auf mittlere bis längere Sicht stets<br />
ein monetäres Phänomen: Ohne ein anhaltendes<br />
übermäßiges Geldmengenwachstum kann das Preisniveau<br />
nicht dauerhaft steigen. Auch der Wert von<br />
4½ % ist insofern vertretbar, als er genügend Raum<br />
für reales Wirtschaftswachstum lässt und Preisniveaustabilität<br />
zumindest im Sinne der EZB (Infla-