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Festung Europa

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Kommission im November 2003 eine Mitteilung zur<br />

Erläuterung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung<br />

veröffentlicht (ABl. C 265/2003). Die<br />

Mitteilung ist ein praktischer Leitfaden für die Bereiche,<br />

in denen keine „harmonisierten“ Bestimmungen<br />

existieren, die den freien Warenverkehr innerhalb<br />

der EU sicherstellen. Neben der Betonung der<br />

EuGH-Rechtsprechungsgrundsätze enthält sie erläuternde<br />

Ausführungen zur Beweislast und fasst die<br />

Möglichkeiten zusammen, wann und wie der freie<br />

Warenverkehr gemeinschaftsrechtskonform beschränkt<br />

werden kann. Diese Mitteilung ist eine Folgemaßnahme<br />

zum Zweiten Zweijahresbericht über<br />

die Anwendung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung<br />

im Binnenmarkt, der zu der Schlussfolgerung<br />

gelangt war, dass dessen Anwendung noch sehr<br />

lückenhaft sei.<br />

Auch im Bereich der �Freizügigkeit setzte sich im<br />

Rahmen des Binnenmarkt-Programms die Erkenntnis<br />

durch, dass durch eine europaweite Harmonisierung<br />

der reglementierten Berufe, insbes. der akademischen<br />

Abschlüsse, ein einheitlicher Wirtschaftsraum<br />

nicht zu schaffen ist: Während in Jahrzehnten<br />

die Voraussetzungen für einige Berufe im Gesundheitsbereich<br />

harmonisiert wurden, waren bereits<br />

eine Vielzahl neuer Berufsfelder entstanden. So erließ<br />

der Rat im Jahre 1988 die Richtlinie 89/48 über<br />

eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der<br />

Hochschuldiplome (ABl. L 19/1989). Diese stellt<br />

den Grundsatz auf, dass ein Mitgliedstaat, der einen<br />

Beruf reglementiert, die in einem anderen Mitgliedstaat<br />

erworbenen Qualifikationen anerkennen und<br />

dem Diplominhaber erlauben muss, seine Tätigkeit(en)<br />

auf seinem Hoheitsgebiet unter denselben<br />

Voraussetzungen wie die Inländer auszuüben. GenerellgiltdabeiderGrundsatzderautomatischenAnerkennung<br />

durch den Aufnahmestaat. Nur in Ausnahmefällen<br />

kann der Aufnahmestaat einen Anpassungslehrgang<br />

oder eine Eignungsprüfung zur Voraussetzung<br />

für die Anerkennung machen, wenn er<br />

wesentliche Unterschiede zwischen der geforderten<br />

und der tatsächlichen Ausbildung nachweist. Der<br />

Antragsteller hat die Wahl zwischen den beiden<br />

Möglichkeiten des Ausgleichs. Bei RechtspflegeberufenistdieWahldemAufnahmestaatvorbehalten.<br />

Diese Richtlinie wurde geändert durch die Richtlinie<br />

2001/19 (ABl. L 206/2001), die weitere Erleichterungen<br />

für den Antragsteller wie die Anerkennung<br />

praktischer Tätigkeiten oder von Ausbildungsab-<br />

Prinzip der gegenseitigen Anerkennung<br />

schnitten, die in einem Drittland abgeleistet wurden,<br />

vorsieht.<br />

Ergänzt wurde die Regelung durch die Richtlinie<br />

92/51 zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise<br />

durch ein Kurzstudium (ABl. L 209/<br />

1992). Diese dehnt die Regelungen der o. a. Richtlinie<br />

auch auf Abschlüsse von Fachhochschulen und<br />

ähnlichen Einrichtungen aus.<br />

Eine weitere Richtlinie 1999/42 (ABl. L 201/1999)<br />

regelt die Anerkennung von Berufsabschlüssen in<br />

bestimmten Bereichen wie der Textil-, der Bekleidungs-,<br />

der Leder-, der Holzindustrie. Sie gilt also<br />

nur für bestimmte, eigens aufgeführte Tätigkeiten,<br />

sieht hierfür allerdings auch den Grundsatz der gegenseitigen<br />

Anerkennung vor. Wegen der enormen<br />

Unterschiede in den Ausbildungsordnungen dieser<br />

Berufe gibt es keine generelle Anerkennung, wohl<br />

aber eine Pflicht des Aufnahmestaats, die Vergleichbarkeit<br />

der im Ausland abgelegten Ausbildung zu<br />

überprüfen. Werden Unterschiede festgestellt, kann<br />

der Antragsteller ebenfalls durch Anpassungslehrgang<br />

oder Eignungsprüfung seine Fähigkeiten nachweisen.<br />

Derzeit wird in den europäischen Institutionen über<br />

einenRichtlinienvorschlagderKommissionüberdie<br />

Anerkennung von Berufsqualifikationen debattiert<br />

(KOM 2002/119 endg., ABl. C 181E/2002, geändert<br />

durch KOM 2004/317 endg.), durch die die bisher<br />

bestehenden Richtlinien zusammengefasst und ein<br />

einheitlicher Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung<br />

für alle Berufsabschlüsse eingeführt werden<br />

soll,umsoeinenoffenen,flexiblenunddynamischen<br />

Arbeitsmarkt in der EU zu schaffen. Dabei wird eine<br />

abgestufte Anerkennung eingeführt: Wer nur vorübergehend<br />

eine Dienstleistung erbringen will, dessen<br />

Qualifikation wird dann automatisch anerkannt,<br />

wennerzweiJahrelangdenBerufimjeweiligenHeimatland<br />

ausgeübt hat. Für Arbeitnehmer, die dauerhaft<br />

in einem anderen EU-Land tätig werden wollen,<br />

gelten höhere Hürden: Hier unterscheidet das neue<br />

Gesetz fünf Qualifikationsniveaus – vom Angelernten<br />

bis zum Hochschulabsolventen. Bei den neuen<br />

Regeln gelten etliche Ausnahmen: Für Notare, Anwälte<br />

oder auch Ärzte sollen Mindeststandards gelten,<br />

die zum Schutz des Verbrauchers notwendig<br />

sind, auch Dienstleistungen in Behörden bleiben<br />

ausgenommen.<br />

Bei Redaktionsschluss war die Richtlinie noch nicht<br />

verabschiedet; das Europäische Parlament hat ihr in<br />

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