Festung Europa
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ungsmitglied der sechs Mitgliedstaaten ein. Dieser<br />
vertrittdieMitgliedstaatenundstimmt„dieTätigkeit<br />
der Hohen Behörde und der ... Regierungen aufeinander“<br />
ab (Art. 26 EGKSV). Im Rahmen der EGKS<br />
besaß der Rat im Wesentlichen Anhörungs- und Mitwirkungsrechte.<br />
Für die Europäischen Gemeinschaften<br />
Euratom und EWG hingegen trägt er nach<br />
den jeweiligen Gründungsverträgen die Verantwortung<br />
für die „Verwirklichung der Ziele nach Maßgabe<br />
dieses Vertrages“. Diese Verträge weisen jeweils<br />
dem Rat Funktionen eines „Legislativorgans“ und<br />
zusätzliche exekutive Befugnisse zu.<br />
Vor allem der Rat der E(W)G tritt als das Organ, in<br />
demdieMitgliedstaatendurchihreRegierungenvertreten<br />
sind, von Anfang an im Rahmen der vielfältigen<br />
Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinschaft dominierend<br />
in Erscheinung; denn der Rat, mithin die<br />
nationalen Regierungen, besitzt die Legitimation<br />
zum Erlass von Rechtsvorschriften. Ein Gegengewicht<br />
innerhalb des Institutionengefüges bildete zunächst<br />
nur die Kommission, deren Vorschläge nur<br />
einstimmig vom Rat geändert werden konnten. Die<br />
rasch wachsenden Aktivitäten der EWG führten zur<br />
hohen Arbeitsbelastung des Rates, der in unterschiedlichen<br />
Zusammensetzungen tagt. Bereits seit<br />
1958 unterstützt der �Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />
(Coreper) mit seinen Arbeitsgruppen den Ministerrat.<br />
Der Gründungsvertrag der EWG (1957) sah in vielen<br />
Politikbereichen zunächst die Einstimmigkeit bei<br />
Entscheidungen des Rates vor, die nach einer Übergangszeit<br />
von dreimal vier Jahren allmählich durch<br />
Mehrheitsentscheidungenabgelöstwerdensollten.<br />
1.2 Entscheidungskrise. Das Verfahren (GesetzesinitiativederKommissionundEntscheidungsbefugnis<br />
sowie Abstimmungsmodi des Rates) führte 1965/66<br />
zur ersten größeren Krise der Europäischen Gemeinschaften,<br />
als Frankreich gegen einen Vorschlag der<br />
Kommission durch die �Politik des „leeren Stuhls“<br />
protestierte und durch seine Nichtteilnahme an den<br />
Sitzungen des Rates die Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene<br />
lähmte. Hintergründig ging es<br />
Frankreich um die weitere Entwicklung der Institutionen<br />
(Eindämmung der Rolle der Kommission und<br />
Verhinderung der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen<br />
im Rat). Die �Luxemburger Vereinbarung<br />
behob diese Krise durch ein rechtlich nicht verbindliches<br />
Übereinkommen, das einen Vertrauenstatbestand<br />
schuf, von dem nicht einseitig abgewi-<br />
Rat<br />
chen werden durfte – und auch in der Praxis bis 1982<br />
nicht abgewichen wurde: „Stehen bei Beschlüssen,<br />
die mit der Mehrheit auf Vorschlag der Kommission<br />
gefasst werden können, sehr wichtige Interessen eines<br />
oder mehrerer Partner auf dem Spiel, so werden<br />
sich die Mitglieder des Rates innerhalb eines angemessenen<br />
Zeitpunktes bemühen, zu Lösungen zu gelangen.“Dieser„LuxemburgerKompromiss“verzögerte<br />
oder verhinderte Fortschritte im Integrationsprozess,<br />
da jeder Mitgliedstaat selbst entschied,<br />
wann wichtige nationale Interessen vorliegen bzw.<br />
durch Gemeinschaftserlasse tangiert werden.<br />
1.3 Der gemeinsame Rat. Mit dem Inkrafttreten des<br />
Vertrages über die Fusion der Exekutivorgane der<br />
drei Gemeinschaften am 1. 7. 1967 wurde ein gemeinsamer<br />
Rat eingesetzt. In der Folgezeit bis etwa<br />
1985 ist die Tätigkeit des Rates durch mangelnde<br />
Entscheidungsfähigkeit geprägt, zumal in wichtigen<br />
Fragen die Möglichkeit der Abstimmung mit qualifizierter<br />
Mehrheit nicht angewandt wurde. Die Einrichtung<br />
der �Gipfelkonferenz führte dazu, dass wesentliche<br />
Beschlüsse von den Staats- und Regierungschefs<br />
gefasst wurden. Erst die �Einheitliche<br />
Europäische Akte (1986) beschleunigte die EntscheidungsfindungimRat.DerAnwendungsbereich<br />
qualifizierter Mehrheitsentscheidungen wurde seitdem<br />
stark ausgeweitet und auch in der Regel praktiziert.<br />
Der �Europäische Rat zog sich seit 1988 aus der konkretenEntscheidungsfindungzurück,sodassderRat<br />
seine Funktion als oberstes Entscheidungsgremium<br />
der Gemeinschaft ausfüllt. In der EU hat der Rat im<br />
Bereich der ersten �Säule eine dominante Rolle. Zusammen<br />
mit dem EP nimmt er die Entscheidungsbefugnis<br />
wahr. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde<br />
die noch in der Einheitlichen Europäischen Akte<br />
festgeschriebene Trennung von EG-Ministerrat und<br />
den Ministertagungen im Rahmen der Außenbeziehungen<br />
aufgehoben. Seitdem ist der Rat auch in der<br />
�Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik als<br />
ausschließliche Entscheidungsinstanz für die allgemeinen<br />
Leitlinien der Weiterentwicklung und in der<br />
intergouvernementalen polizeilichen und justitiellen<br />
Zusammenarbeit in Strafsachen (�PJZS) für die<br />
Koordinierung zuständig (Art. 3 EUV). In den Verträgen<br />
von Amsterdam und Nizza wurden die Aufgabengebiete<br />
weiter ausgedehnt und die Entscheidungsstrukturen<br />
und Entscheidungsmodalitäten revidiert.<br />
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