Festung Europa
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innere Reformagenda nützlich (die chinesische Führung<br />
bediente sich z. B. der Mitgliedschaft in der<br />
WTO, um die Fortsetzung ökonomischer Reformen<br />
nach innen besser zu legitimieren). Für die EG/EU-<br />
Mitgliedsländer ist dabei der ostasiatische Markt –<br />
oder besser die ostasiatischen Märkte – nicht nur als<br />
high-absorber-Märkte mit Wachstumsraten bis über<br />
10 % besonders interessant, sondern auch wegen der<br />
geringeren Produktionskosten für Investitionen wie<br />
für Produktionsauslagerungen attraktiv. Dieses doppelte<br />
Interesse der Europäer führt dann dazu, dass sie<br />
nicht nur an der Fortsetzung hoher Wachstumsraten,<br />
sonderndanebenauchanökonomischenReformprozessen<br />
wie z. B. in China, an der Verrechtlichung der<br />
ostasiatischen Volkswirtschaften nach westlichem<br />
Modell und an der allgemeinen Durchsetzung des<br />
Freihandelsprinzips – so z. B. auch im Falle protektionistischer<br />
Politiken wie in Japan – interessiert<br />
sind. Die Realisierung eines solchen gemeinsamen<br />
Interesses ist aber nur unter Bedingungen allgemeinpolitischerundinsbes.sicherheitspolitischerStabilität<br />
möglich. Dauerhafte politische Stabilisierung<br />
durch schrittweisen Ausbau von Reformen bzw. von<br />
Demokratisierungsprozessen wie z. B. in China,<br />
Thailand, Indonesien usw. plus ein möglichst geringes<br />
militärisches Konfliktrisiko bzw. ein hohes Maß<br />
an friedlichem Konfliktmanagement und -lösung<br />
sind aber nicht nur notwendige Bedingungen für den<br />
Ausbau der europäisch-asiatischen Wirtschaftsbeziehungen,<br />
sondern auch sinnvoll, um die Abhängigkeit<br />
von dem militärischen Sicherheitsgarantien der<br />
USA zu verringern.<br />
Die EG/EU-Ostasienbeziehungen und die entsprechenden<br />
Maßnahmen von EG/EU sind nicht nur für<br />
dieEU-Mitgliedstaaten,sondernauchfürdieEUvon<br />
doppeltem strategischen Interesse. Erstens komplementiert<br />
das ökonomisch-politische Engagement<br />
der EU in Ostasien die EG/EU-Lateinamerika-Politik.<br />
Ähnlich wie Lateinamerika ist Ostasien für die<br />
EU von dreifacher Bedeutung: als Wirtschaftsraum,<br />
als Region mit einsetzenden Regionalisierungsprozessen<br />
und damit als ein möglicher Partner für eine<br />
regionalistische Globalstrategie, und schließlich als<br />
Region, in die die EG/EU ihr politisches Modell in<br />
Konkurrenz zu den USA projiziert. Für eine in erster<br />
Linie auf politisch-wirtschaftlichen Interessen basierende<br />
Globalstrategie kann und will die EU auf<br />
diese Region nicht verzichten; eine strategisch angelegte<br />
Kooperation gerade mit Ostasien ist – unabhän-<br />
Ostasienpolitik<br />
gig von allen inneren Problemen dieser Region – für<br />
eine stärkere globale Rolle der EU unverzichtbar;<br />
zweitens kann dabei gerade in der Verbindung der<br />
vier Komponenten der EU-Ostasienpolitik die Rolle<br />
von Europäischer Kommission bzw. EU gegenüber<br />
den Mitgliedstaaten gestärkt werden. Eine erfolgreiche<br />
Bündelung der Interessen und Machtpotentiale<br />
der Mitgliedstaaten gerade in einer politisch wie<br />
wirtschaftlich so attraktiven Region bringt dabei die<br />
EU nicht nur dem Ziel einer Gemeinsamen AußenundSicherheitspolitiknäher,sondernziehtaucheine<br />
außen- wie wirtschaftspolitische GewichtsverlagerungvondenMitgliedstaatenzurEUnachsich.<br />
Wenn man davon ausgeht, dass die EU-Ostasienpolitik<br />
nicht nur Ostasien betrifft, sondern auch ein<br />
wichtiger Teil der EU-Global- und insbes. EU-<br />
USA-Politik ist, müssen auch ihre aktuellen und<br />
strukturellen Grenzen bestimmt werden. Diese werden<br />
insbes. im Krisenfall deutlich und finden sich in<br />
allen Handlungsbereichen. In der ökonomischen ZusammenarbeitzwischenEUundOstasienmachtedie<br />
asiatische Finanzkrise Ende der 1990er Jahre den<br />
komparativen Machtnachteil der EU gegenüber den<br />
USA deutlich. So konnte und wollte die EU weder direkt<br />
beim Management oder der Lösung der Finanzkrise<br />
eingreifen bzw. helfen noch ihren Einfluss gegenüber<br />
ASEAN nutzen, um statt einer nationalen<br />
eine regionale Lösung zu propagieren; es waren die<br />
USA, die die Lösungsstrategien definierten und die<br />
entscheidenden Finanzhilfen vergaben bzw. organisierten.<br />
Im politischen agenda-setting der Region ist<br />
die EU sowohl aufgrund ihres Machtprofils als auch<br />
ihrer inneren Entscheidungsprobleme zwar präsent<br />
und aufgrund ihres politischen Modells wie ihrer<br />
„weichen“ Machtpolitik durchaus attraktiv; es sind<br />
aber die USA, die die politischen Prioritäten von<br />
Nordkorea bis Indonesien setzen und durchsetzen.<br />
Besitzt die EU im wirtschaftlichen und – in begrenzterem<br />
Maße – im politischen Bereich noch Einfluss,<br />
so ist sie in Bezug auf militärische Sicherheit irrelevant.<br />
Regionale Krisen mit militärischem Eskalationsrisiko<br />
wie die Drohungen Chinas gegenüber<br />
Taiwan oder die nordkoreanische Nuklearpolitik<br />
einschl. ihrer Raketentests revitalisierten das amerikanische<br />
Monopol für die regionale Sicherheit ebenso<br />
wie die Sorgen vor einem chinesisch-japanischen<br />
Rüstungswettlauf. Trotz ihres Engagements für<br />
friedliche Lösungen spielt die EU in Bezug auf die<br />
Militärproblematik in Ostasien keine nennenswerte<br />
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