Festung Europa
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Spötter sprechen vom „europäischen Wanderzirkus“.<br />
Die Europäische Zentralbank hat ihren Sitz in<br />
Frankfurt am Main. Bei der Entscheidung von Sitzfragen<br />
kommen die Eitelkeiten und die Prestigesucht<br />
der Mitgliedstaaten besonders deutlich zum Vorschein<br />
– zum Amüsement der Kenner, zum Kopfschütteln<br />
vieler Laien.<br />
Innerhalb der Gemeinschaftsorgane sind alle 20<br />
�Amtssprachen gleichberechtigt (Art. 21, 314 EGV).<br />
Die Einzelheiten des Sprachregimes sind in der Verordnung<br />
(EWG) Nr. 1 von 1958 aufgrund Art. 290<br />
EGV geregelt. In Praxis der Organe haben sich Englisch,<br />
Französisch und Deutsch (in dieser Reihenfolge)<br />
als informelle interne Arbeitssprachen herausgebildet.<br />
Der Gerichtshof verwendet intern fast ausschließlich<br />
das Französische, die EZB ganz überwiegend<br />
das Englische.<br />
Im institutionellen Gefüge der Europäischen Union<br />
hat nur der Europäische Rat Organstellung. Die<br />
Union ist trotz anders lautender Stimmen rechtsfähig;<br />
ihre Beschlüsse und Maßnahmen zur Strafverfolgung<br />
(Europäischer Haftbefehl, Projekt einer Europäischen<br />
Staatsanwaltschaft) und zur Verteidigungspolitik(FriedensmissioninMazedonien,europäische<br />
Kampfeinheiten zur Krisenprävention) haben<br />
eine solche Dichte erreicht, dass der Union kraft<br />
Faktizität und Übung die Rechtsfähigkeit zuerkannt<br />
werden muss. Nach Art. 4 EUV gibt ihr der Europäische<br />
Rat die erforderlichen Impulse und bestimmt<br />
die allgemeinen politischen Ziele. Zwar trifft er keine<br />
rechtlich nach außen verbindlichen Entscheidungen<br />
und erfüllt deshalb streng genommen nicht die<br />
Definition des Organbegriffes, jedoch erzeugen seine<br />
politischen Schlussfolgerungen – etwa zum Beitritt<br />
neuer Mitgliedstaaten oder zur Finanzierung der<br />
Union – eine derart starke faktische Bindung der umsetzenden<br />
Organe der EG (vor allem des Rates), dass<br />
die Transformation seines Willens in formale Akte<br />
des EG-Rechts einem Automatismus gleicht. Soweit<br />
ersichtlich sind keine Fälle bekannt, in denen die<br />
EG-Organe dem Europäischen Rat die Umsetzungs-Gefolgschaft<br />
verweigert hätten; für das Verhältnis<br />
des EG-Ministerrates zum Europäischen Rat<br />
mag dies kaum verwundern, stehen doch die nationalen<br />
Fachminister politisch im Range unter ihren jeweiligen<br />
Staats- und Regierungschefs.<br />
Das Europäische Polizeiamt (�Europol, Arbeitsaufnahme<br />
am 1. 7. 1999) und die Europäische Stelle für<br />
Justitielle Zusammenarbeit (�Eurojust, Errichtung<br />
Organe der EU<br />
am 28. 2. 2002), beide rechtsfähig, haben innerhalb<br />
derUnion(noch)keineOrganqualität.DieArt.30bis<br />
32 EUV erkennen zwar ihre Existenz an und beschreibenihreKernaufgaben,dochbeschränkensich<br />
die Befugnisse der beiden „Behörden“ (so Art. 32<br />
EUV) auf die wirksamere Koordination der Arbeit<br />
der nationalen Polizeidienststellen und Strafverfolgungsbehörden<br />
durch grenzüberschreitenden automatisierten<br />
Informationsaustausch und Datenabgleich.<br />
Die beiden Stellen verkörpern einen (gewiss<br />
wichtigen) unionseigenen Datenpool mit Abgleichfunktion,<br />
jedoch ohne Vollstreckungskompetenzen.<br />
Das Europol-Übereinkommen von 1995 ermächtigt<br />
den Rat, die Zuständigkeiten von Europol näher festzulegen;<br />
auch diese „Anbindung“ an den Rat spricht<br />
gegen eine Organeigenschaft des Europäischen Polizeiamtes.<br />
Die fünf Hauptorgane der EG sind keine Organe der<br />
EU; soweit sie im Rahmen der zweiten und dritten<br />
Säule der Union agieren, werden sie von der EG lediglich<br />
der sonst handlungsunfähigen Union ausgeliehen(Organleihe).NimmtetwaderRatnachAnhörung<br />
des Parlaments einen Rahmenbeschluss zum<br />
Europäischen Haftbefehl an (Art. 34 II UAbs. 1 S. 2<br />
lit.bundArt.39EUV),bleibenRatundParlamentinstitutionell<br />
Organe der EG, werden funktionell aber<br />
in Organhilfe für die EU tätig. Artikel 5 EUV bestätigt,<br />
ja fordert die Zulässigkeit einer solchen „Organspende“<br />
der EG an die EU im Interesse einer beschlussfähigen<br />
Union.<br />
Die Doppelfunktion der EG-Organe als Repräsentanten<br />
der EG und als Leihorgane der EU veranschaulicht<br />
nachdrücklich den „einheitlichen institutionellen<br />
Rahmen“ (Art. 3 EUV), der die drei Säulen<br />
zu einer Tempelstruktur der Union verbindet. Obwohl<br />
EU und EG als völkerrechtlich getrennte Staatenverbünde<br />
durch zwei separate Gründungsverträge<br />
konzipiert sind, handeln in ihnen und für sie einheitlich<br />
die Organe der EG. Mit Inkrafttreten des<br />
Verfassungsvertrages 2004 würde die EG in der<br />
Union aufgehen, wodurch die bisherigen Tempelund<br />
Säulenmodelle hinfällig werden.<br />
Nach welchen Grundsätzen arbeiten die Organe von<br />
EG und EU zusammen? Ein Rückgriff auf das Verfassungsrecht<br />
der Mitgliedstaaten legte es nahe, die<br />
seit Montesquieu und der US-Bundesverfassung<br />
anerkannte Dreiteilung der Staatsgewalten in Legislative,<br />
Exekutive und Judikative auch auf Gemeinschaft<br />
und Union zu übertragen. Eine solche Extra-<br />
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